Wenn sich „Wächter“ und „Hausmeister“ des Genoms zusammentun
Wissenschaftler aus Konstanz, Ulm und Karlsruhe entschlüsseln biochemischen Mechanismus mit Bedeutung für die Tumorbiologie
Erfolg im Bereich der Krebsforschung: Biologen und Chemiker der Universität Konstanz klären einen molekularen Mechanismus der Zelle auf, der in Zusammenhang mit Krebsentstehung sowie -bekämpfung steht. Eine besondere Rolle spielt darin die Interaktion des krebsbekämpfenden Proteins p53, dem „Wächter des Genoms“, mit dem Enzym PARP-1, dem „Hausmeister des Genoms“. Die Forschungsarbeiten, die in Kooperation mit der Universität Ulm und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) stattfanden, wurden im renommierten Fachmagazin Nucleic Acids Research (NAR) in der Ausgabe vom 25. Januar 2018 veröffentlicht.
Im Laufe eines Tages entstehen in jeder Zelle des menschlichen Körpers durch innere und äußere Einflüsse – wie Stoffwechselvorgänge, Entzündungsreaktionen, Umweltgifte und Strahlung – tausende von Schäden der Erbsubstanz (DNA). Falls diese nicht rechtzeitig von der Zelle „repariert“ werden, können sie zu Mutationen und zur Krebsentstehung führen. Besteht die Gefahr, dass sich eine Körperzelle in eine Krebszelle verwandelt, wird normalerweise das Protein p53 aktiviert. p53 setzt daraufhin mehrere molekulare Prozesse in Gang, die die Zellteilung anhalten („Zellzyklus-Arrest“) und die Genauigkeit der DNA-Reparatur verbessern. „Hierdurch gewinnt die Zelle Zeit, um die gefährlichen DNA-Schäden sauber zu reparieren oder, falls es zu viele sind, den ‚programmierten Zelltod‘ (‚Apoptose‘) einzuleiten“, schildert der Konstanzer Toxikologe und Biochemiker PD Dr. Aswin Mangerich, der das Projekt an der Professur für Molekulare Toxikologie von Prof. Dr. Alexander Bürkle an der Universität Konstanz leitet. „Auf diese Weise wirkt p53 der Krebsentstehung entgegen und wird daher auch als ‚Wächter des Genoms‘ (‚Guardian of the Genome‘) bezeichnet“, führt Mangerich weiter aus.
Die biomedizinische Relevanz des Proteins p53 wird darin deutlich, dass in der Hälfte aller menschlichen Tumorarten das p53-Gen mutiert (irreversibel verändert) ist, wodurch seine krebsbekämpfende Funktion unterdrückt wird. Durch diese Mutationen erhalten Krebszellen einen Überlebensvorteil, da die wichtigen Abwehrmechanismen der DNA-Reparatur und des programmierten Zelltods ausgeschaltet werden.
Die Konstanzer Wissenschaftler ermittelten nun den molekularen Mechanismus, wie die biochemischen und zellulären Funktionen von p53 in Zusammenspiel mit dem Enzym PARP-1 gesteuert werden. „PARP-1 hilft dabei, DNA-Reparaturvorgänge in der Zelle zu koordinieren, und wird daher auch als ‚Hausmeister des Genoms‘ (‚Caretaker of the Genome‘) bezeichnet“, beschreibt Aswin Mangerich dessen grundlegende Funktion. Dr. Arthur Fischbach, der an dem Projekt im Rahmen seiner inzwischen abgeschlossenen Doktorarbeit maßgeblich beteiligt war, berichtet weiter: „Das Enzym PARP-1 erkennt DNA-Schäden, wird dadurch aktiviert und bildet das Biopolymer Poly(ADP-Ribose) als eine der ersten Reaktionen der Zelle. Das Biopolymer bewirkt wiederum über eine sogenannte nicht-kovalente (lockere) Ankopplung anschließend eine kovalente (feste) Ankopplung an p53. Diese Modifikation hat weitreichende Auswirkungen für die Regulierung der biochemischen und zellulären Funktionen von p53.“ Der „Wächter“ und der „Hausmeister“ des Genoms tun sich somit zusammen, wobei es der Hausmeister ist, der bei einer Gefährdung der Zelle den Wächter ruft und anweist.
Die Forschung wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), vom Sonderforschungsbereich SFB 969 „Chemical and Biological Principles of Cellular Proteostasis“ sowie von der Graduiertenschule Chemische Biologie und dem Zukunftskolleg der Universität Konstanz, die im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert werden.
Originalpublikation:
Fischbach, A., A. Kruger, S. Hampp, G. Assmann, L. Rank, M. Hufnagel, M. T. Stockl, J. M. F. Fischer, S. Veith, P. Rossatti, M. Ganz, E. Ferrando-May, A. Hartwig, K. Hauser, L. Wiesmuller, A. Burkle and A. Mangerich. "The C-terminal domain of p53 orchestrates the interplay between non-covalent and covalent poly(ADP-ribosyl)ation of p53 by PARP1." Nucleic Acids Research, Volume 46, Issue 2, 25 January 2018, Pages 804–822, https://doi.org/10.1093/nar/gkx1205
Link: https://academic.oup.com/nar/article/46/2/804/4690581?guestAccessKey=ddc1e9be-0f09-4dfc-bf02-e7363f5...
Faktenübersicht:
- Biologen und Chemiker der Universität Konstanz, der Universität Ulm und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entschlüsseln einen molekularen Mechanismus der Zelle mit Bedeutung für die Tumorbiologie.
- Aktuelle Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin Nucleic Acids Research (NAR):
Nucleic Acids Research, Volume 46, Issue 2, 25 January 2018, Pages 804–822, https://doi.org/10.1093/nar/gkx1205
- Das krebsbekämpfende Protein p53, der „Wächter des Genoms“, wird durch eine Interaktion mit dem Enzym PARP-1, dem „Hausmeister des Genoms“, modifiziert. Diese Modifikation hat weitreichende Auswirkungen für die Regulierung der biochemischen und zellulären Funktionen von p53.
- Forschung unter Leitung des Konstanzer Biologen PD Dr. Aswin Mangerich an der Professur für Molekulare Toxikologie des Konstanzer Biomediziners Prof. Dr. Alexander Bürkle. Abgeschlossenes Promotionsprojekt von Dr. Arthur Fischbach.
- Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Sonderforschungsbereich SFB 969 „Chemical and Biological Principles of Cellular Proteostasis“, der Graduiertenschule Chemische Biologie sowie dem Zukunftskolleg der Universität Konstanz.
Vollständige Bildunterschrift:
Ein molekularer Mechanismus aufgeschlüsselt: Das Enzym PARP-1 bildet nach Aktivierung (z. B. durch DNA-Schäden) das Biopolymer PAR (Poly(ADP-Ribose)). PAR vermittelt daraufhin die Bindung an das krebsbekämpfende Protein p53, im Bereich der sogenannten C-terminalen Domäne (CTD). p53 wird anschließend von PARP-1 mit dem PAR-Biopolymer modifiziert. Wie im unteren Teil der Abbildung dargestellt, haben diese molekularen Vorgänge weitreichende Auswirkungen auf eine ganze Reihe biochemischer und zellulärer Funktionen, die eine wichtige Rolle in der Krebsbiologie spielen. Abbildung: Aswin Mangerich, Universität Konstanz