Welche Musik wirkt fröhlich, welche traurig?
Welche Musik wirkt fröhlich, welche traurig? Laut einer neuen Studie von WissenschaftlerInnen aus Australien und von der Universität Konstanz lässt sich diese Frage nicht kulturübergreifend beantworten.
Akkorde und Melodien in Dur oder Moll – was in der westlichen Kultur gerne als „fröhliche” versus „traurige” Musik bezeichnet wird – werden womöglich doch nicht universell so wahrgenommen. Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen der Western Sydney University und der Universität Konstanz fand Anhaltspunkte, dass die Emotionen, welche Dur und Moll transportieren, von Gewöhnung und assoziativer Konditionierung abhängen könnten.
Für die neue Studie, die jüngst in dem Journal PLOS ONE erschien, begaben sich ForscherInnen der Western Sydney University (MARCS Institute for Brain, Behaviour and Development), der Australian National University und der Universität Konstanz in abgeschiedene Gemeinden im Nebelwald Papua-Neuguineas, die unterschiedlich häufig in Berührung mit westlicher Musik gekommen waren. Sie spielten den Menschen dort Dur- und Moll-Akkordfolgen (Kadenzen) vor und fragten sie, welche davon sie glücklicher stimmten.
Dieses musikalische Experiment wiederholten die Forschenden mit Musikern und Nicht-Musikern im australischen Sydney. Anschließend verglichen sie die emotionalen Wahrnehmungen und Vorlieben für Dur- und Moll-Harmonien bzw. -Akkorde unter allen StudienteilnehmerInnen.
„Wie die Teilnehmenden in Sydney auf Dur und Moll antworten würden, hatten wir aufgrund vorhergehender Forschung stark erwartet. Die eigentliche Frage war: Würden ähnliche Reaktionen bei den Teilnehmenden in Papua-Neuguinea auftreten oder nicht? Hier waren wir sehr neugierig auf die Ergebnisse,“ erklärt die Autorin der Studie, Dr. Eline Smit. Sie forscht am MARCS Institute for Brain, Behaviour and Development in Sydney und als Postdoc im Fachbereich Linguistik der Universität Konstanz.
Die australischen TeilnehmerInnen, so ergab die Studie, zeigten eine klare Präferenz für Dur-Melodien und -Akkorde, welche sie als fröhlicher wahrnahmen. Die Teilnehmenden aus Papua-Neuguinea, die mit westlicher Musik geringfügig in Kontakt gekommen waren, stimmten weniger deutlich damit überein, dass Dur fröhlicher als Moll klinge. Dagegen assoziierten TeilnehmerInnen aus Papua-Neuguinea, die bislang kaum mit westlicher Musik zu tun gehabt hatten, keine Glücksgefühle mit Dur-Klängen.
Ko-Autor Dr. Andrew Milne, Senior Research Fellow in Music Cognition and Computation (Musikwahrnehmung und Berechnung) am MARCS Institute for Brain, Behaviour and Development, sagt, die emotionalen Unterschiede zeigten, dass es wohl keine universelle Reaktion auf Dur- und Molltonarten gibt, sondern dass der Grund eher eine Gewöhnung und Konditionierung innerhalb der westlichen Kultur sein dürfte. Er erklärt: „Musik macht so einen bedeutenden Bestandteil der meisten Kulturen aus und spielt eine riesige Rolle in unserem Alltag. In jedem Spielfilm, jeder TV-Show begleitet ein Soundtrack emotionale Szenen. Und typischerweise werden Dur-Akkorde in glücklichen und euphorischen Szenen verwendet, während Moll-Klänge ein Gefühl von Unbehagen oder Trauer transportieren.”
„Diese assoziative Konditionierung zieht sich durch unser ganzes Leben und könnte ein Grund dafür sein, warum sowohl Musiker als auch Nicht-Musiker in der westlichen Kultur Dur-Klänge als fröhlicher empfinden, während Menschen mit sehr geringem oder begrenzten Kontakt mit westlicher Musik und Kultur hier schwächere oder gar keine Assoziationen haben,” so Milne.
Dr. Eline Smit betont, dass ihre Ergebnisse die bedeutende Rolle des Vertrautheitsgrades mit Musik in Dur und Moll für die emotionalen Reaktionen der Menschen verdeutlichen: „Je größer die Vertrautheit, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die typisch westlichen Empfindungen hat. Jedoch können unsere Ergebnisse nicht ausschließen, dass jemand, der noch nie mit Dur- oder Moll-Musik zu tun hatte, auch Dur als fröhlich und Moll als traurig wahrnimmt.”
Faktenübersicht:
- Die Studie Emotional responses in Papua New Guinea show negligible evidence for a universal effect of major versus minor music wurde im PLOS ONE Journal veröffentlicht: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0269597
- AutorInnen der Studie sind Dr. Eline Adrianne Smit, Dr. Andrew J. Milne, Hannah S. Sarvasy, Roger T. Dean
- Die Studie wurde finanziert durch die Western Sydney University/ MARCS Institute for Brain, Behaviour and Development, das Australian Research Council, die australische Regierung und die Australian National University/ Centre of Excellence for the Dynamics of Language