Sprachliche Vielfalt als Ressource und Chance
Wissenschaftlerinnen der Universität Konstanz werden für die Entwicklung eines digitalen Lehr-Lern-Tools zum Umgang mit Mehrsprachigkeit im Unterricht mit einem Tandem-Fellowship der Baden-Württemberg Stiftung in Höhe von 30.000 Euro gefördert
Mehrsprachigkeit ist längst in den deutschen Klassenzimmern angekommen – seit Jahren steigt der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch kontinuierlich an. Die Sprachwissenschaftlerin Ramona Baumgartner und die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Elisabeth Maué von der Universität Konstanz werden in den kommenden drei Jahren gemeinsam mit Studierenden der Wirtschaftspädagogik und der Linguistik ein digitales Lehr-Lern-Tool zur Schulung angehender Lehrkräfte im Umgang mit dieser sprachlichen Heterogenität im digitalen wie im Präsenzunterricht entwickeln. Flexible Elemente des Tools sollen den Transfer in andere Lehramtsstudiengänge sowohl der Universität Konstanz als auch anderer Universitäten ermöglichen. Dafür werden die beiden Wissenschaftlerinnen durch die gemeinsame Förderlinie des Stifterverbands und der Baden-Württemberg Stiftung „Fellowships für Innovationen in der Hochschullehre“ in Höhe von 30.000 Euro unterstützt.
Mittlerweile haben gut 30 Prozent aller Kinder in Deutschland, die in Kindertageseinrichtungen betreut werden, einen Migrationshintergrund und sind somit potentiell mehrsprachig. Auch in den Institutionen der Allgemeinbildung und der beruflichen Bildung ist die Tendenz steigend. Ein besonders hoher Anteil mehrsprachiger Menschen lernt an Berufsschulen. Auf letztere zielt das Lehrprojekt TASK (Tandems von Auszubildenden und Studierenden im Landkreis Konstanz) von Elisabeth Maué ab, in dem seit 2018 Studierende der Wirtschaftspädagogik in mittlerweile rund einhundert Tandems Auszubildende mit Flucht- und Migrationshintergrund begleiten und das den Ausgangspunkt für die Entwicklung des neuen Lehr-Lern-Tools bildet.
Sensibilität für sprachliche Schwierigkeiten
„Die Studierenden, die bei TASK mitmachen, entwickeln eine hohe Sensibilität für die sprachlichen Schwierigkeiten, die die Auszubildenden haben. Gleichzeitig wissen sie aber nur bedingt, wie sie damit umgehen sollen“, fasst Elisabeth Maué zusammen. Bereits seit 2019 gibt es deshalb eine Kooperation mit Lehrenden des Projekts „Bildungssprache fördern: Neue Perspektiven auf Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im Fachunterricht“, das von 2016 bis 2021 im Rahmen des Förderprogramms „Lehrerbildung in Baden-Württemberg“ vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) unterstützt wird. Ramona Baumgartner vom Zentrum für Mehrsprachigkeit der Universität Konstanz bietet in diesem Zusammenhang den Studierenden im TASK-Projekt Workshops zum Thema an. Damit soll das Bewusstsein der angehenden Lehrkräfte geschärft werden, dass fachliche und sprachliche Ziele oft zusammenhängen. „Wenn man weiß, welche sprachlichen Merkmale in einer Aufgabenstellung stecken, und wenn man noch dazu weiß, welcher Transfer aus einer anderen Sprache hinzukommt, kann man sprachliche Vielfalt als Ressource und Chance nutzen“, so Ramona Baumgartner.
Thema Umgang mit Sprache kommt allen zugute
Das Lehr-Lern-Tool zielt auf alle Fächer des Lehramtsstudiums ab. Gefördert werden soll damit das fachliche Lernen von Schülerinnen und Schülern mit Flucht- und Migrationshintergrund ebenso wie das der einsprachigen Schülerschaft, die in ihren sprachlichen Kompetenzen ebenfalls vielfältig ist. Elisabeth Maué: „Wir sind der Meinung, dass das Thema Umgang mit sprachlicher Heterogenität für alle Lehrpersonen, die an der Universität ausgebildet werden, sehr hilfreich ist.“ Darüber hinaus sollen mit dem Tool – vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Schulen – die digitalen Kompetenzen der zukünftigen Lehrpersonen gefördert werden, zumal es sowohl für den digitalen als auch den Präsenzunterricht einsetzbar sein wird. „Damit wollen wir erreichen, dass das Thema personen-, orts- und zeitunabhängig gruppenspezifisch bearbeitet werden kann“, so Ramona Baumgartner.
Vorhandene Ressourcen nutzen
Um das Entwicklungsvorhaben voranzubringen, werden an der Universität Konstanz bereits vorhandene Ressourcen genutzt. Für die Entwicklung und Erprobung der Lerninnovation werden in der ersten Phase die Erfahrungen der Studierenden beim Lernen mit geflüchteten Auszubildenden im Rahmen des TASK-Projekts, des Workshops und der digitalen Durchführung von Lehrveranstaltungen genutzt. Durch Tandems der TASK-Studierenden und Seminarteilnehmenden von Ramona Baumgartner soll das digitale Tool entwickelt werden. Für den digitalen Aspekt des Tools wird an das Projekt „edu 4.0 – Digitalisierung in der Lehrerbildung“ angeknüpft, das in der Binational School of Education (BiSE) der Universität Konstanz angesiedelt ist und im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird. In der zweiten Phase wird das Tool erprobt, evaluiert und modifiziert. Schließlich soll in der dritten Phase der Transfer stattfinden.
Faktenübersicht:
- Tandem-Fellowship für das Lehr-Lern-Projekt „Sprachliche Vielfalt als Ressource im digitalen Unterricht und im Präsenzunterricht – Entwicklung eines digitalen Lehr-Lern-Tools zum Sprachsensiblen Unterrichten und zum flexiblen Einsatz in verschiedenen Studiengängen der Lehramtsausbildung“
- Förderung von 2021 bis 2023 mit 30.000 Euro durch die gemeinsame Förderlinie „Fellowships für Innovationen in der Hochschullehre“ des Stifterverbands und der Baden-Württemberg Stiftung
- Interdisziplinäre Kooperation der Sprachwissenschaftlerin Ramona Baumgartner vom Zentrum für Mehrsprachigkeit und der Erziehungswissenschaftlerin Dr. Elisabeth Maué aus dem Fach Wirtschaftspädagogik des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Konstanz
- Transfer zwischen bestehenden Universitätsprojekten „TASK (Tandems von Auszubildenden und Studierenden im Landkreis Konstanz)“ und „Bildungssprache fördern: Neue Perspektiven auf Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im Fachunterricht“ unter Einbezug innovativer Projekte zur Digitalisierung wie „edu 4.0 – Digitalisierung in der Lehrerbildung“ der Binational School of Education (BiSE).