Religiöse Differenz und sprachliche Bezugnahme
Die Historikerin Susanne Härtel und der Philosoph Anders Landig erhielten den Preis des Landkreises Konstanz
Zum ersten Mal in seiner Geschichte fand die Preisverleihung an der Universität Konstanz statt: Der Preis des Landkreises Konstanz zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Konstanz für das vergangene Jahr geht an die Historikerin Dr. Susanne Härtel und den Philosophen Dr. Anders Landig. Landrat Frank Hämmerle übergab die Auszeichnung an die beiden Nachwuchswissenschaftler im Rahmen einer Promoventenfeier. Dotiert ist sie mit insgesamt 1.600 Euro. Der Preis wird seit 1987 jährlich für herausragende Dissertationen der Fächer Philosophie und Geschichte verliehen.
Susanne Härtels Dissertation, die von der Konstanzer Religionshistorikerin Prof. Dr. Dorothea Weltecke betreut wurde, trägt den Titel „Jüdische Friedhöfe im mittelalterlichen Reich (11. - 16. Jh.). Zum Umgang mit religiöser Differenz“. Die jüdischen Friedhöfe des mittelalterlichen Reichs hatten über Jahrhunderte hinweg Bestand. Susanne Härtel zeigt im Gegensatz zur bisherigen Forschung, dass die Begräbnisstätten der religiösen Minderheit nicht primär Orte des Konflikts waren. Stattdessen eröffnet sich über sie der Blick in eine multireligiöse Gesellschaft, in der jüdische und christliche Lebensräume zumeist auf selbstverständliche Weise mit- und nebeneinander existierten.
Susanne Härtel ist mittlerweile an der Humboldt-Universität zu Berlin im ERC-Projekt „Foundations in Medieval Societies. Cross-cultural Comparisons” tätig. Gemeinsam mit Kollegen aus der Byzantinistik, Islamwissenschaft, Mediävistik und Indologie arbeite sie an einer Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften. Ihre Dissertation wird voraussichtlich im Herbst 2017 als Monografie in der Reihe ,Europa im Mittelalter' beim Verlag De Gruyter erscheinen.
Anders Landig wagt in seiner Doktorarbeit „(Direkte) Referenz und Starrheit – Über die theoretischen Grundlagen sprachlicher Bezugnahme“ – Betreuer war der Konstanzer Philosoph Prof. Dr. Wolfgang Spohn – einen Neuanfang in der philosophischen Debatte über die Referenz von Eigennamen. Welche Information übermittle ich meinem Gegenüber, wenn ich einen Namen äußere, etwa „München“? In Bezug auf diese Frage beherrschten lange Zeit zwei gegensätzliche Ansichten das Geschehen: Die einen sagen, referierende Ausdrücke wie „München“ kommunizieren Eigenschaften des Referenten, in diesem Fall etwa, die Hauptstadt Bayerns zu sein. Die anderen behaupten das Gegenteil: Es ist zum Beispiel nicht nötig, bestimmte Eigenschafen eines Objekts zu kennen, um dessen Namen zu verstehen. Was kommuniziert wird, ist nur der Referent selbst, hier die Stadt München.
Die Arbeit von Anders Landig eröffnet einen neuen, dritten Weg: Wir müssen die zentrale Rolle des Referenten für die Bedeutung eines Namens zwar durch eine bestimmte Art von Beschreibung anreichern. Allerdings dürfen wir dabei nur Eigenschaften verwenden, die der referierende Ausdruck erfüllt – und eben nicht sein Referent. Die Grundlage, diesen Gedanken fruchtbar zu machen, besteht in einer Neu-Interpretation der Beziehung zwischen direkter Referenz und Starrheit. Nach Anders Landig sind diese Konzepte nicht komplementär, sondern identisch.
Anders Landig ist inzwischen als New Business Manager bei einer Agentur in Überlingen tätig. Seine Dissertation ist im Herbst 2016 im Mentis-Verlag erschienen.