Quantenbits kontrolliert und gesteuert

Eine gegenüber Außeneinflüssen robuste Steuerung von Spins, Voraussetzung für die Entwicklung von Quantenrechnern, bedient sich der sogenannten Berry-Phase.

Prof. Dr. Guido Burkard, Professor für Theoretische Physik an der Universität Konstanz, entwickelte mit seinem Mitarbeiter Dr. Adrian Auer in der Theorie eine neue Methode, wie Spins von Quantenobjekten in einem Diamantkristall exakt gesteuert werden können – eine Grundvoraussetzung zur Entwicklung von Quantencomputern. Der vorhergesagte Effekt wurde jüngst in einem Labor in Chicago experimentell bestätigt und wird in der März-Ausgabe (2016) von Nature Photonics veröffentlicht.

Quantenobjekte wie etwa Elektronen, Protonen, Neutronen oder Photonen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich sowohl wie ein Teilchen als auch wie eine Welle verhalten können. Eindeutig kennzeichnen lassen sie sich durch ihre sogenannten quantenmechanischen Freiheitsgrade wie zum Beispiel den Eigendrehimpuls (Spin). Wenn es möglich ist, solche Quanteneffekte exakt zu steuern, kann man auf diesem Weg sogenannte Quantenbits erzeugen, die ähnlich den „Schaltern“ in herkömmlichen Computern zur Informationsverarbeitung herangezogen werden können. Die exakte Steuerung dieses quantenmechanischen Freiheitsgrads ist Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Quantencomputern, die in der Lage sein werden, effizienter zu rechnen als heutige Systeme, die auf dem binären Code des klassischen Schalters basieren.

Prof. Dr. Guido Burkard, Professor für Theoretische Physik an der Universität Konstanz, arbeitet schon länger daran, Systeme zu entwickeln, die gut kontrollierbare Quanteneigenschaften haben. Dabei besteht eine langjährige Zusammenarbeit mit Physikern der Gruppe David Awschalom an der University of Chicago (USA). Der Spin eines einzeln zugänglichen Quantenobjekts, eines so genannten NV-Defekts in einem Diamanten, konnte in der Vergangenheit bereits auf rein optischem Weg über zwei Laserstrahlen genau eingestellt werden. Dies übertraf herkömmliche Methoden, die Laser und Mikrowellen einsetzen und in ihrer Geschwindigkeit und Genauigkeit begrenzt sind. In ihrer aktuellen Arbeit, die in der März-Ausgabe (2016) von Nature Photonics erscheinen wird und am 15. Februar 2016 als Vorab-Onlineversion veröffentlicht wurde, berichten die Physiker jetzt über eine neue Möglichkeit, den Spin einzustellen und zu kontrollieren. Sie bedienen sich dabei eines Phänomens, das nur in der Quantenmechanik auftritt, der sogenannten Berry-Phase.

Als anschauliches Modell zur Erklärung der Berry-Phase kann die sogenannte Bloch-Kugel herangezogen werden, die ähnlich wie die Erdkugel in Längen- und Breitengrade eingeteilt werden kann. Nord- und Südpol würden dann den beiden Zuständen 0 und 1 entsprechen – Grundlage der herkömmlichen Bits. Im Labor können nun aber beliebige Spin-Zustände allein durch Einstrahlen von Licht eingestellt werden, das heißt, sie können sich im Modell an jeder beliebigen Stelle der Kugeloberfläche befinden. Durch Variation der Einstrahlung über die beiden Laser ist es möglich, den Spin entlang eines Breiten- oder Längengrades einmal im Kreis wandern zu lassen (es werden „loops“ beschrieben). Entgegen der Intuition ist der quantenmechanische Zustand nicht identisch, wenn der Ausgangspunkt wieder erreicht wird. Hier tritt die Berry-Phase auf, eine Verschiebung, deren Größe durch den eingeschlossenen Raumwinkel der Kugel bestimmt wird. Diese Phase, die über auftretende Interferenzen gemessen wird, kann nun dazu verwendet werden, Quantenoperationen auszuführen.

Im Labor in Chicago konnten die theoretischen Überlegungen von Guido Burkard und seinem Mitarbeiter Adrian Auer in den vergangenen Monaten experimentell bestätigt werden. Wesentlich bei diesem System ist zudem, dass es kaum eine Rolle spielt, ob der Spin bei Durchlaufen der „loops“ etwas „schlingert“. Die Berry-Phase, die als Grundlage der Quantenbits dient, hängt nur davon ab, wie groß der eingeschlossene Raumwinkel ist  – im gewählten Bild vom Raum, den die jeweils durch den loop eingegrenzte „Scheibe“ („tangerine slice“) einschließt. Dadurch heben sich beidseitige Abweichungen vom exakten Weg entlang des „Breitengrads“ oder „Längengrads“ weitgehend auf. Das bedeutet für die Anwendung, dass das System sehr robust ist gegenüber äußeren Einflüssen und dass damit Fehler in der Rechenleistung minimiert werden.

„Geometrische Phasen wie die Berry-Phase sind robust, und das ist genau das, was wir für solche Quantenrechner suchen. Quantenrechner sind besonders fehleranfällig, weshalb es bisher auch noch keinen gibt. Die Robustheit gegenüber Fehlern haben wir theoretisch erwartet, und sie wurde tatsächlich von unseren Kollegen in Chicago bestätigt“, erklärt Guido Burkard. „Wir haben gesehen, dass diese Phase zumindest für eine bestimmte Klasse von Fehlern robust ist – eines der wichtigen Ergebnisse dieser Arbeit“.

Originalpublikation:Christopher G. Yale, F. Joseph Heremans, Brian B. Zhou, Adrian Auer, Guido Burkard, and David D. Awschalom: Optical manipulation of Berry phase in a solid-state spin qubit. Nature Photonics, doi:10.1038/nphoton.2015.278(2016).
www.nature.com/nphoton/journal/vaop/ncurrent/full/nphoton.2015.278.html