Buntbarsche (hier Amphilophus xiloaensis) aus dem Kratersee Xiloá in Nicaragua. / Bild: Ad Konings; Cichlid Press

Neue Art, neue Arten zu machen

Das Team des Evolutionsbiologen Axel Meyer entdeckte eine neue Art von Artentstehung bei Buntbarschen in einem Kratersee in Nicaragua.

Die Entstehung einer neuen Art aus zwei bereits beschriebenen Arten durch Hybridisierung ohne Änderung der Chromosomenzahl ist im Tierreich nur sehr selten. Bislang sind für diese spontane Weise (von einer Generation zur nächsten) der sogenannten homoploiden Hybridisierung fast nur Beispiele von Pflanzen bekannt. Die Arbeitsgruppe von Axel Meyer, Professor für Zoologie/Evolutionsbiologie an der Universität Konstanz, kann nun die Entstehung einer neuen hybriden Art bei Buntbarschen nachweisen, wohl das erste Beispiel dieser genetischen Speziationsmethode bei Wirbeltieren. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature Communications zeigen die Forscher mittels kompletter Genomsequenzierung von über 120 Individuen und einer Reihe von anderen Methoden, dass im Kratersee Xiloá in Nicaragua eine neue hybride Art aus den Buntbarscharten A. sagittae und A. xiloaensis entstanden ist.

Bereits 2018 stieß das Forschungsteam in dem Kratersee Xiloá auf Fische, die aussahen wie eine Kreuzung zwischen den beiden Buntbarscharten. Auch genetisch war je nach Marker nachweisbar, dass in deren Genom Anteile beider Arten vorhanden sind. „Mittlerweile können wir die kompletten Genome der Fische sequenzieren und viel genauer schauen, wie sich das Genom der Hybride zusammensetzt. Tatsächlich war es möglich, auf dem Chromosom zu markieren, welcher Teil des Hybriden von A. sagittae und welcher von A. xiloaensis stammt“, sagt Axel Meyer.

Mehrzahl der Fische pflanzt sich untereinander fort

Durch die Detailgenauigkeit der Markierungen konnte das Forschungsteam auch feststellen, dass sich die Mehrzahl der Individuen der neuen Art auch nur untereinander fortpflanzt, ein Indiz dafür, dass es sich tatsächlich um eine neue Art handelt. Denkbar wären auch Hybride, die aufgrund eines „Fehlers“ bei der Partnerwahl entstanden sind, weshalb die Fische sich als nicht fruchtbar erweisen, oder hybride Tiere, die sich wieder mit einer der beiden Elternarten kreuzen („Backcrossing“).

Die neue, sehr junge Art, die innerhalb weniger hundert Generationen am Entstehen ist, befindet sich nicht direkt zwischen den beiden Elternarten A. sagittae und A. xiloaensis, weder in morphologischer, physiologischer noch ökologischer Hinsicht. Stattdessen zeigen die Hybride Aspekte eines sogenannten transgressiven Phänotyps mit Merkmalen, die in keiner der beiden Elternarten zu finden sind. Damit können sie eine andere ökologische Nische als die der beiden Elternarten belegen und so im See koexististieren.

Ökologische Konsequenzen aus dem Körperbau

Zum Beispiel unterscheiden sich die Fische von ihren Vorfahren in der Form ihrer Schwanzwurzel, des Körperteils, an dem die Schwanzflosse ansetzt. „Möglicherweise sind sie deshalb bessere Schwimmer. Diese Art von Körperproportion ist oft bei Fischen zu finden, die sehr schnell beschleunigen können“, erläutert Meyer. Daraus ergeben sich ökologische Konsequenzen, die es den Fischen ermöglichen, andere Nahrungsquellen auszunutzen als die beiden Elternarten, die als langgestreckte Art im offenen Wasser bzw. mit einem tiefer liegenden Körperbau am Ufer leben. Übrigens auch als die beiden weiteren Buntbarscharten im Xiloá-See.

Die Forschenden konnten mit der sogenannten stabilen Isotopen-Analyse der Tiere zeigen, dass ihre Beutetiere aus anderen Fischen, Krabben und Shrimps bestehen – Beutetieren, die in der Nahrungskette bereits sehr hoch stehen. Wahrscheinlich sind die Individuen der neuen Art die erfolgreichsten Räuber des Sees.

Einmalige ökologische Nische

Damit besetzt die Hybridart eine einmalige ökologische Nische, was in einem sehr kleinen Ökosystem wie dem Xiloá-See, dessen Durchmesser nur etwas mehr als einen Kilometer beträgt, sehr wichtig ist. „Solch ein begrenzter Lebensraum setzt voraus, dass die einzelnen Arten nur über längere Zeit koexistieren können, wenn sie sich im Wettbewerb aus dem Weg gehen“, so der Evolutionsbiologe Meyer. Zumal die neue Artbildung nicht über eine große geografische Distanz stattfindet, sondern unter sympatrischen Bedingungen innerhalb desselben kleinen Habitats wie das der Ursprungsarten.

Genomsequenzierung, Morphometrie, stabile Isotopen-Analyse – mit dieser Kombination verschiedener Datensätze konnten die Forscher nachvollziehen, wie es zur Entstehung der neuen Art kommen konnte. Aktuell untersuchen sie in einer neuen Studie, wie oft es zu Fehlern kommt, wenn man den hybriden Fischen die Wahl gibt, ob sie sich untereinander oder mit Individuen ihrer Elternarten fortpflanzen. Schließlich geht es um die Frage: Wie wird die Partnerwahl genetisch gesteuert?

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation:
    Melisa Olave, Alexander Nater, Andreas F. Kautt & Axel Meyer. Early stages of sympatric homoploid hybrid speciation in crater lake cichlid fishes. Nature Communications, 13: 5893 (2022). DOI: doi.org/10.1038/s41467-022-33319-4
  • Studie des Teams von Prof. Dr. Axel Meyer weist mit der Entstehung einer neuen Buntbarsch-Art wahrscheinlich die erste Hybridisierung von Wirbeltieren nach, bei der die Chromosomenzahl gleichgeblieben ist
  • Maßgeblich beteiligte Postdoktorandin Dr. Melisa Olave wurde von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert
  • Kontakt: Prof. Dr. Axel Meyer, Tel. + 49 (07531) 88-4163, 88-3069, E-mail: axel.meyer@uni-konstanz.de