Gefahr für Weltmeere und Biodiversität
Studie mit Konstanzer Beteiligung warnt vor den menschengemachten Auswirkungen auf das Ökosystem Meer aufgrund von Veränderungen beim Salzgehalt.
Ein internationales Forschungsteam legt die kritische und doch wenig erforschte Rolle des Salzgehaltes im Wasser, der sogenannten Salinität, in einem sich verändernden Ozean und entlang der Küsten offen. Seine Studie verdeutlicht nicht nur die Auswirkungen der Salinitätsveränderungen auf die Gesundheit und Funktion von Ökosystemen, sondern beschreibt auch zu erwartende Schäden für Küstengemeinden. Unter dem Titel „Human-induced salinity changes impact marine organisms and ecosystems“ (Menschengemachte Salinitätsveränderungen beeinflussen marine Organismen und Ökosysteme) ist sie im Journal Global Change Biology veröffentlicht. Leiter der Studie ist der Biologe Till Röthig vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Gießen. Christian Voolstra, Professor für Genetische Adaptation in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz, ist Mitautor.
Studienleiter Röthig erklärt: „Unsere Arbeit zeigt, dass Salinitätsveränderungen ein bedeutendes, jedoch unzureichend erforschtes Problem darstellen. Wir sind recht gut darüber informiert, wie sich veränderte Temperaturen, pH-Werte und Nährstoffe auf Ozean- und Küstenökosysteme auswirken. Jedoch wurden die Auswirkungen menschengemachter Salinitätsveränderungen bisher stark vernachlässigt - obwohl die Salzbelastung für alle Arten von Organismen, einschließlich Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, entscheidend ist.“
Verstärkende Effekte durch lokale menschliche Aktivitäten
Besonders anfällig für Salinitätsveränderungen sind Ökosysteme entlang der Küste und Flussmündungen, die für ihre hohe Produktivität bekannt sind. Die Studie hebt hervor, dass klimabedingte Veränderungen des Niederschlags zu extremen Hochwasser- und Dürreereignissen führen können, was wiederum die Verfügbarkeit von Süßwasser beeinträchtigt und diese sensiblen Ökosysteme belastet. Zusätzlich betonen die Autor*innen verstärkende Effekte lokaler menschlicher Aktivitäten wie Veränderungen der Landnutzung, Urbanisierung, Flussregulierung und terrestrische Entwässerung, die den Stress besonders für Küstenregionen weiter verschärfen.
„Salinität ist ein zentraler Faktor für viele Stoffwechselprozesse, und die meisten marinen Organismen sind darauf ausgelegt, in Umgebungen mit recht stabilem Salzgehalt zu leben. Die Salinität interagiert auch mit anderen physikalischen und chemischen Parametern wie Temperatur und Sauerstoffgehalt und prägt so die physikalische Umwelt des Ozeans“, wie der Konstanzer Biologe Christian Voolstra verdeutlicht.
Die Forschenden warnen davor, dass sich die Auswirkungen von Salinitätsveränderungen mit Meereserwärmung, Sauerstoffmangel, Nährstoffanreicherung und erhöhten Sedimentbelastungen durch den Klimawandel und menschliche Aktivitäten weiter verstärken können. Thermische Ausdehnung, Süßwassereintrag und Salinitätsveränderungen tragen auch zur Anhebung des Meeresspiegels bei, was zu Salzwassereintrag in Küsten- und tiefliegenden Gebieten führt und dort die Struktur und Funktion von Ökosystemen stört.
Dringlichkeit der Aufarbeitung von Belastungen
Die Autor*innen betonen die Dringlichkeit, die mit Salinitätsveränderungen zusammenhängenden Belastungen aufzuarbeiten, um marine und Küstenökosysteme sowie deren Biodiversität zu schützen. Sie heben die Verletzlichkeit ausgewählter Lebensräume und ihrer Schlüsselorganismen hervor und skizzieren die Auswirkungen von Salinitätsveränderungen auf Mikroorganismen, Plankton, Korallen, Mangroven, Gezeitenmarsche, Makroalgen und Seegras.
„Unsere Daten zeigen, dass die zu erwartenden Salinitätsveränderungen schon allein zum Zusammenbruch von Ökosystemen führen können“, macht Christian Voolstra klar. Und weiter: „Salinitätsveränderungen treten jedoch nicht isoliert auf, so dass betroffene Lebensräume auch mit Veränderungen von Temperatur und Sauerstoffgehalt, Versauerung und Verschmutzung konfrontiert werden. Die entstehenden Wechselwirkungen stellen eine große Unbekannte in Bezug auf das Verständnis und den Erhalt unserer Ozeane und Küsten dar."
Die Review-Studie bietet wertvolle Einblicke in die von menschlichen Eingriffen verursachten Bedrohungen durch Salinitätsveränderungen für marine und Küstenökosysteme und skizziert die Konsequenzen für die menschliche Gesundheit und Wirtschaft in den oft dicht besiedelten Regionen.
Über die Autor*innen
Till Röthig, Stacey M. Trevathan-Tackett, Christian R. Voolstra, Cliff Ross, Samuel Chaffron, Paul J. Durack, Laura M. Warmuth und Michael Sweet sind ein Team interdisziplinärer Forschenden von renommierten Institutionen weltweit. Ihre Fachgebiete umfassen Meeresbiologie, Ökologie, Umweltwissenschaften, Ozeanographie und Klimamodellierung, was eine umfassende Analyse der Auswirkungen menschengemachter Salinitätsveränderungen auf marine und Küstenökosysteme ermöglicht.
Faktenübersicht
- Originalveröffentlichung: Till Röthig, et al.: Human-induced salinity changes impact marine organisms and ecosystems, Global Change Biology, 12.07.2023. DOI: 10.1111/gcb.16859
- Studie warnt vor den menschengemachten Auswirkungen von Salinitätsveränderungen auf das Ökosystem
- Leiter der Studie ist Dr. Till Röthig vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Gießen
- Christian Voolstra, Professor für Genetische Adaptation in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz, ist Mitautor.
Dieser Text basiert auf einem Artikel vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME Institutsteil Bioressourcen.