Für Zusammenhalt in der Gesellschaft
Die Universität Konstanz ist an der Vorbereitung eines neuen „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ beteiligt – Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Bevölkerungsgruppen fühlen sich im Staat nicht mehr adäquat repräsentiert. Die Errungenschaften der parlamentarischen Demokratie werden in Frage gestellt. Stimmen an den rechten und linken Rändern des politischen Spektrums sind oft lauter als die der Mitte. Als Antwort auf Symptome sozialen Auseinanderdriftens hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein dezentral organisiertes „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ ausgeschrieben, das sich wissenschaftlich mit Strukturen und Wahrnehmung gesellschaftlicher Zugehörigkeit beschäftigen wird. Die Forschungsinitiative „Kulturelle Dynamiken der Gegenwartsgesellschaft. Konnektivität, Polarisierung und soziale Schließung“, die in diesem Zusammenhang von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Konstanz entworfen wurde, geht erfolgreich aus dem Wettbewerb hervor, wie das BMBF heute mitteilt. Sie wird damit Teil dieses Instituts. Mit zehn weiteren Einzelinstitutionen an anderen Orten schließt sie sich zusammen, um – zunächst in einer einjährigen Gründungsphase – ein Konzept für das Gesamtinstitut zu entwickeln. In der Hauptphase werden dem Gesamtinstitut bis zu zehn Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen.
„Unsere Antworten auf Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt werden darüber entscheiden, wie wir in Zukunft leben werden. Seit langem leistet die Universität Konstanz mit ihrem Exzellenzcluster ‚Kulturelle Grundlagen von Integration‘ einen bedeutenden Beitrag zur Lösung solch sozialer Herausforderungen. Die daraus hervorgegangene Konstanzer Forschungsinitiative wird ihre herausragende Expertise einbringen. Das lässt mich mit großer Zuversicht in die Zukunft schauen“, so Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Konstanz.
Die Forschungsinitiative „Kulturelle Dynamiken der Gegenwartsgesellschaft“ geht das Thema des gesellschaftlichen Zusammenhalts aus einer ausdrücklich kulturwissenschaftlichen Perspektive an. Mit Prof. Dr. Daniel Thym hat ein Rechtswissenschaftler die Federführung übernommen. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich unter anderem folgenden Fragen: Wie haben sich die sozioökonomischen Faktoren, die Teilhabe und soziale wie politische Partizipation ermöglichen, in der jüngsten Zeit verändert? Wie prägen Massen- und soziale Medien den öffentlichen Diskurs über Integration, wie tragen sie dazu bei, dass Bürgerinnen und Bürger beunruhigende desintegrative Tendenzen wahrnehmen? Was fördert ein kollektiv geteiltes Gefühl der Zusammengehörigkeit? Und schließlich: Inwiefern stützt die Funktionsfähigkeit bestehender Institutionen sozialen Zusammenhalt?
Die verschiedenen Dimensionen sozialen Zusammenhalts überlagern sich häufig und treten mitunter in Spannung zueinander. Beispielsweise können soziale Medien die individuelle Vernetzung im Alltag und das Gefühl sozialer Zugehörigkeit fördern und gleichzeitig die gesamtgesellschaftliche Polarisierung, etwa per Tweet, befeuern. Nie zuvor gab es so viel – über Strukturen und Institutionen miteinander in Verbindung stehende – Verschiedenheit wie in der globalisierten Moderne unserer Tage. „Auch das Grundgesetz, auf das sich viele beziehen, ist für den Zusammenhalt nur ein Rahmen“, sagt Daniel Thym, Sprecher der Forschungsgruppe und Experte für Ausländer-, Asyl und europäisches Verfassungsrecht. „Seine Bedeutung in konkreten Situationen muss stets neu verhandelt werden, was nicht ohne Debatten geht.“
Die Konstanzer Initiative als Teil des Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt ist aus dem Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ an der Universität Konstanz entstanden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Soziologie, Ethnologie und Geschichtswissenschaft, der Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Rechtswissenschaft beteiligen sich daran. Besonders wichtig ist ihnen, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu suchen und Gesellschaft wie Politik an den Forschungsergebnissen teilhaben zu lassen.
Die einjährige Vorphase vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 dient dazu, ein Konzept für das Gesamtinstitut zu entwickeln, und wird mit 120.000 Euro gefördert. Nach gutachterlicher Abstimmung des Konzepts beginnt die Hauptphase der Forschung, die das BMBF zunächst über vier Jahre trägt.
Faktenübersicht:
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert dezentral organisiertes „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, das sich wissenschaftlich mit Strukturen und Wahrnehmung gesellschaftlicher Zugehörigkeit beschäftigen wird.
- Universität Konstanz ist mit der Forschungsinitiative „Kulturelle Dynamiken der Gegenwartsgesellschaft. Konnektivität, Polarisierung und soziale Schließung“ beteiligt
- Insgesamt gehören elf Einrichtungen zum „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
- In einer einjährigen Vorphase vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019, die vom BMBF mit 120.000 Euro gefördert wird, wird von den Einzeleinrichtungen ein gemeinsames Konzept erarbeitet.
- Nach gutachterlicher Abstimmung des Konzepts schließt sich eine zunächst vierjährige Hauptphase an.
- Dem Gesamtinstitut werden bis zu zehn Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen.