Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt kann in die Hauptphase starten
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat entschieden, das neue Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) unter Beteiligung der Universität Konstanz für zunächst vier Jahre zu fördern.
Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ein Verbund aus elf Hochschul- und Forschungsinstituten, die in zehn verschiedenen Bundesländern angesiedelt sind und dadurch auch die regionale Vielfalt gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland in den Blick nehmen. Zusammen sollen die mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vielen verschiedenen Disziplinen mit empirischen Untersuchungen, begrifflicher Grundlagenarbeit und großangelegten Vergleichen praxisrelevante Vorschläge erarbeiten, die dazu beitragen, gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Sie decken Aspekte wie Identitäten und regionale Erfahrungswelten, Ungleichheiten und Solidarität, Medien und Konfliktkultur, Polarisierung und Populismus, aber auch Antisemitismus und Hasskriminalität ab und erforschen diese im europäischen Vergleich und darüber hinaus.
Bundesweite Forschung
In der anderthalbjährigen Vorphase des FGZ, in der das Gründungskonzept für das Institut erarbeitet wurde, wurde ein umfangreiches Forschungs- und Transferprogramm mit mehr als 70 Teilprojekten und institutsübergreifenden Arbeitsbereichen entwickelt, die ab dem 1. Juni 2020 realisiert werden.
Neben der Universität Konstanz gehören die Technische Universität Berlin sowie die Universitäten Bielefeld, Bremen, Frankfurt am Main, Halle-Wittenberg, Hannover und Leipzig sowie das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen, das Leibniz-Institut für Medienforschung Hamburg und das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena dem Verbund an.
Das Konstanzer Teilinstitut
Die am Konstanzer Teilinstitut beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden primär erforschen, welche Schlüsselbegriffe den gesellschaftlichen Zusammenhalt prägen und wie dieser in Deutschland erzählt wird. Gerade angesichts der aktuellen globalen Krisenlage stelle sich die Frage nach gesellschaftlichem Zusammenhalt mit besonderer Dringlichkeit, so der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Daniel Thym, der das Konstanzer Teilinstitut leitet: „Die weltweite Corona-Krise verlangt uns allen individuell und kollektiv viel ab, nämlich den Mut zur selbstgewählten Isolation einerseits und die Erprobung neuer Formen der Solidarität andererseits: im persönlichen Umfeld, im Beruf, im Nationalstaat und über dessen Grenzen hinaus. Die aktuelle Krise zeigt exemplarisch, dass Zusammenhalt immer wieder institutionell gesichert, gesellschaftlich gelebt und öffentlich erzählt werden muss.“
Zu den Forschungsschwerpunkten in Konstanz gehören neben dem rechtlichen Wandel von Zugehörigkeit vor dem Hintergrund von Migration und Integration insbesondere kulturelle „Narrative“ im Sinn gesamtgesellschaftlich wirkmächtiger Erzählungen, die kollektive Identität stiften und die Positionierung von Einzelnen und Gruppen in der Gesellschaft bestimmen.
Mittels historischer und ethnografischer Forschungen soll das Phänomen der Inklusion und Exklusion im Rahmen von Erwerbsarbeit erforscht werden. Zusätzlich wird sich das Konstanzer Teilinstitut des FGZ international vergleichend mit den politischen und sozialen Konsequenzen beschäftigen, die sich aus veränderten medialen Infrastrukturen und globalen Transformationserfahrungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ergeben.
Zusammenhalt vermitteln
Neben der Erarbeitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und damit verbundener konkreter Politikberatung möchten die Konstanzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interaktive Prozesse auf kommunaler Ebene anstoßen. Zu den geplanten Maßnahmen gehören unter anderem ein partizipatorisches Erzähl-Projekt und ein Fortbildungsprogramm für Integrationsbeauftragte. Als übergreifenden Forschungs- und Transferbeitrag plant der Konstanzer Standort des FGZ außerdem eine Kollektivpublikation zu „Schlüsselbegriffen gesellschaftlichen Zusammenhalts“. Diese wird mit wissenschaftlichem Anspruch verschiedene Dimensionen des Zusammenhalts aufzeigen und auch einem nicht-wissenschaftlichen Publikum zugänglich machen.
Der Konstanzer Forschungsschwerpunkt Kulturwissenschaften
Das Konstanzer Teilinstitut des Forschungszentrums Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist Teil des Forschungsschwerpunktes „Kulturwissenschaften“ an der Universität Konstanz. Die am Konstanzer Standort des FGZ beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Rechtswissenschaft, den Geschichts- und Literaturwissenschaften sowie der Kultur- und Sozialanthropologie werden unter anderem eng mit dem Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung (ZKF) zusammenarbeiten, an dem Daniel Thym als Direktoriumsmitglied beteiligt ist. Das ZKF beschäftigt sich übergeordnet mit kulturellen Phänomenen und gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozessen. Unter seinem Dach forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen zu Themen wie Integration und Desintegration, der Migration von Personen, Ideen und ästhetischen Formen, Erinnerungsorten sowie unterschiedlichen Auftritts- und Repräsentationskulturen.
Faktenübersicht:
- Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt unter Konstanzer Beteiligung startet in die Hauptphase.
- Der Verbund aus elf Hochschul- und Forschungsinstituten aus zehn verschiedenen Bundesländern wird praxisrelevante Vorschläge zur Bewältigung von gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart erarbeiten.
- Das Konstanzer Teilinstitut unter Leitung des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Daniel Thym widmet sich rechtlich, kulturell, historisch und ethnografisch dem Wandel von gesellschaftlichem Zusammenhalt.
- Start der Hauptphase: 1. Juni 2020.
- Fördersumme für das Konstanzer Teilinstitut: Rund 2,2 Millionen Euro.
- Förderdauer: Zunächst vier Jahre.
- Weitere Informationen zur kulturwissenschaftlichen Forschung an der Universität Konstanz.