Prof. Dr. Thomas Elbert und Dr. Maggie Schauer

Auszeichnung für Trauma-Forscher

Carl Friedrich von Weizsäcker-Preis 2016 für Prof. Dr. Thomas Elbert und Dr. Maggie Schauer

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sowie der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zeichnen die beiden Konstanzer Psychologen Prof. Dr. Thomas Elbert und Dr. Maggie Schauer mit dem Carl Friedrich von Weizsäcker-Preis aus. Damit würdigen sie zwei herausragende Wissenschaftler, die entscheidende Beiträge zur Erforschung und Behandlung von traumatischen und stressbedingten Störungen geleistet haben. Mit der Narrativen Expositionstherapie (NET) entwickelten sie ein Behandlungsverfahren für die psychischen Funktionseinschränkungen in Folge wiederholter lebensbedrohlicher Erlebnisse.  Diese Therapie verhilft traumatisierten Personen,  ihre Symptome zu überwinden und ihre personale Würde wiederzuerlangen; sie führt Traumaüberlebende zurück ins Leben. Elbert und Schauer erkannten in ihrer Arbeit die Bedeutung der psychischen Gesundheit für den aktiven Wiederaufbau zerstörter Gesellschaften in Kriegs- und Krisengebieten.  Diese Hilfe ist aber auch für Länder von zunehmender Bedeutung, die – wie Deutschland – Überlebenden von organisierter Gewalt, von Krieg und Folter Schutz gewähren. Der Carl Friedrich von Weizsäcker-Preis wird in zweijährigem Rhythmus an Forschungspersönlichkeiten verliehen, die „einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Problembereiche geleistet haben“, definiert die Leopoldina. Der renommierte Wissenschaftspreis ist mit 50.000 Euro dotiert.

Seit zwei Jahrzehnten untersuchen Thomas Elbert und Maggie Schauer die Folgen traumatischer Erfahrungen durch Gewalt, Krieg und Folter, durch Flucht, aber auch durch häusliche Gewalterfahrung. Die beiden Psychologen helfen Traumaüberlebenden und forschen in der universitären Flüchtlingsambulanz, im Labor und vor Ort in Kriegs- und Krisengebieten. Unter anderem mit dem Aufbau des Konstanzer Kompetenzzentrums Psychotraumatologie sowie der Gründung der Organisation vivo („victim‘s voice“, www.vivo.org) setzen sie sich für den Schutz und die Behandlung von Gewaltopfern und Kriegsflüchtlingen ein. Zudem engagieren sie sich in der Prävention von sogenannter transgenerationaler Weitergabe von Traumata. Mit Hilfe molekularbiologischer und psychophysiologischer Untersuchungen konnten Thomas Elbert und Maggie Schauer nachweisen, dass traumatische Stresserfahrungen sich nicht nur in seelischem und körperlichem Leiden der Betroffenen auswirken, sondern sich darüber hinaus in der Lesbarkeit und der Reparaturfähigkeit von Erbgut niederschlagen. Dadurch können traumatische Erfahrungen letztlich sogar Auswirkungen auf das Verhalten, Denken und Fühlen der Nachkommen haben.

Eine wegweisende Arbeit von Maggie Schauer und Thomas Elbert zusammen mit ihrem ehemaligen Kollegen Frank Neuner ist die Entwicklung der Narrativen Expositionstherapie zur Behandlung von stark belasteten Menschen, die massive und langanhaltende Gewalt und Misshandlung erleiden mussten. Im Mittelpunkt der Therapie steht die Verortung und Vergeschichtlichung der traumatischen Erlebnisse, wodurch diese nicht mehr beständig in das Fühlen und Denken der Gegenwart drängen. Die Narrative Expositionstherapie kann unter bestimmten Voraussetzungen auch von geschulten Laien durchgeführt werden und eignet sich daher als Therapieform in Krisengebieten, in denen keine umfassende psychotherapeutische Versorgung zur Verfügung steht.

„Thomas Elberts und Maggie Schauers wissenschaftliches Schaffen leistet nicht nur einen Beitrag für ein vertieftes Verständnis der Konsequenzen von traumatischem Stress, sondern trägt auch ganz konkret dazu bei, dem Leiden von Kriegsflüchtlingen, von Opfern organisierter und auch familiärer Gewalt entgegenzuwirken“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz. „Die Auszeichnung von Thomas Elbert und Maggie Schauer mit dem Carl Friedrich von Weizsäcker-Preis ist eine Würdigung zweier herausragender Wissenschaftler und besitzt zugleich eine Signalwirkung für die Rolle der Wissenschaft bei der Bewältigung akuter gesellschaftlicher Probleme, im Besonderen bei der Bewältigung der gegenwärtigen Flüchtlingssituation“, so Rüdiger.

Thomas Elbert ist Professor für klinische Psychologie und Verhaltensneurowissenschaften an der Universität Konstanz. Er zählt zu den weltweit führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Psychobiologie menschlicher Gewalt- und Tötungsbereitschaft sowie im Bereich der mentalen Gesundheit in Konflikt- und Krisenregionen.

Maggie Schauer leitet seit 13 Jahren die Arbeit mit Flüchtlingen und Folterüberlebenden am Konstanzer Kompetenzzentrum Psychotraumatologie. Die international renommierte Psychologin setzt sich insbesondere dafür ein, die Erkenntnisse der Trauma- und Stressforschung zum Wohl der Menschen praktisch umzusetzen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Faktenübersicht:
Der Carl-Friedrich von Weizsäcker-Preis wird von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sowie dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft an Forschende vergeben, die „einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Problembereiche geleistet haben“. Der mit 50.000 Euro dotierte Forschungspreis wird 2016 zum insgesamt vierten Mal verliehen.