Vorträge
Sabine Doff/Ingolf Schäfer, Universität Bremen
Universität und Schule als Transferpartner
Das Projekt „Spotlights Lehre“ in der Bremer Qualitätsoffensive Lehrerbildung
Dieser Beitrag fokussiert zwei Ausprägungen des Transfers in der/die Lehrerbildung: einerseits gilt es, fachliche und fachdidaktische Erkenntnisse für die Gestaltung von Unterricht in der universitären Lehre der ersten Phase der Lehrerbildung so zu fassen, dass die Studierenden befähigt werden diese Inhalte auf adressatengerechte Weise zu reduzieren und zu elementarisieren. Andererseits bietet die direkte Kooperation mit Schulen immer wieder die Möglichkeit, aus der universitären Lehre Inhalte unmittelbar in die Praxis zu bringen und von dort Impulse für die Gestaltung universitärer Lehre in der Lehrerbildung aufzunehmen. Das im Rahmen der der Qualitätsoffensive Lehrerbildung (an der Universität Bremen unter dem Titel Schnittstellen gestalten) vom BMBF geförderte Teilprojekt „Spotlights Lehre“ (Mehlmann & Bikner‐Ahsbahs, 2018) fokussiert diese beiden Ebenen des Transfers.
Interdisziplinär arbeiten im Teilprojekt Fachdidaktiker/‐innen und Fachwissenschaftler/‐innen aus Anglistik und Mathematik zusammen, um gemeinsam die Vernetzung von fachwissenschaftlichem und fachdidaktischem Wissen (und Können) bei Studierenden zu untersuchen. Außerdem werden Möglichkeiten gestaltet und erprobt, wie diese Vernetzung durch den Transfer von entsprechenden Inhalten in die Schule hergestellt bzw. durch Aufbereitung von neuen Inhalten für Schüler/‐innen angeregt werden kann. Im Bereich der Anglistik wird durch die Kooperation von einer fachdidaktischen Veranstaltung zur Unterrichtsplanung und einer fachwissenschaftlichen Veranstaltung zur Linguistik das Thema Varietäten konzeptuell aufbereitet und in Schulklassen unterrichtet. Im Bereich der Mathematik werden die fachwissenschaftlichen Inhalte der Funktionentheorie mit fachdidaktischen Inhalten zur Aufgabenkonstruktion von Studierenden genutzt, um Lernumgebungen aus diesem fachlichen Bereich für die Schule zu entwickeln. Dafür wurden im Rahmen der bisherigen Projektlaufzeit spezifische Strukturen an der Hochschule geschaffen. Im Mittelpunkt der inhaltlichen Arbeit steht in beiden bislang ausgearbeiteten Beispielen das Modell des boundary crossing (Akkerman & Bakker, 2011). Es wird als Riemen genutzt, um die verschiedenen disziplinären Bereiche (jeweils Fachwissenschaften und Fachdidaktik) zu vernetzen und eine Ermöglichungsstruktur für Transfer zu schaffen.
In unserem Beitrag geben wir einen Einblick in die Konzeption von „Spotlights Lehre“, samt Einbettung in das Gesamtprojekt an der Universität Bremen, und bieten die Diskussion erster Ergebnisse nach knapp drei Jahren Projektlaufzeit an. Wir skizzieren ferner die neu geschaffenen Strukturen, die den im Rahmen dieses Projekts angestrebten Transfer erst ermöglichen. Aus unserer Sicht bietet es sich an, anhand dieses Beispiels die Frage zu diskutieren, inwieweit Transfer aus der Wissenschaft an die Schulen (und zurück) eine Chance für die universitäre Lehre bietet.
Danksagung: Das diesem Abstrakt zugrundeliegende Vorhaben wurde im Rahmen der gemeinsamen “Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1612 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Beitrags liegt bei den Autoren.
Akkerman, S. F., & Bakker, A. (2011). Boundary crossing and boundary objects. Review of educational research, 81(2), 132‐169.
Mehlmann, N., & Bikner‐Ahsbahs, A. (2018). Spotlights Lehre–Ein Ansatz zur Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik an der Universität Bremen. In Borowski, A., et al. (2018). Kohärenz in der universitären Lehrerbildung. Universitätsverlag Potsdam.
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Andreas Eimer, Universität Münster
Keine Angst vorm Unbekannten: Transferpotential als zentrales Wertschöpfungsmerkmal eines Hochschulstudiums
Was unter „Transfer“ zu verstehen ist, ist schon auf dem Gebiet der Forschung umstritten (vgl. z. B. das Positionspapier des Wissenschaftsrates „Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien“ aus dem Jahr 2016). Und auch auf dem Gebiet der Lehre findet sich darüber kein eindeutigeres Verständnis. Daher möchte ich mit einer Präsentation im Kloster Hegne den Transferbegriff bezogen auf die Lehre und das Studium grundlegend unter drei Aspekten beleuchten:
- Das Transferpotential als zentrales Wertschöpfungsmerkmal eines Hochschulstudiums
- Die Einübung in Transferroutinen
- Ein Plädoyer für „Transferanlässe“ statt „Praxisbezüge“
Im Career Service der Universität Münster verfolgen wir seit vielen Jahren mit unseren Angeboten das Ziel, bei den Studierenden das Bewusstsein für das Transferpotential eines Universitätsstudiums zu stärken und ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, „Transfererfahrungen“ zu sammeln. Dadurch sind wir immer weiter von dem Vorgehen abgerückt, durch die pure Integration von sogenannten „Praxisanteilen“ die Beschäftigungsfähigkeit zu stärken. Unserer Ansicht nach ist diese direkte Anwendung des Gelernten auf einen einzelnen Kontext eher ein Merkmal der Berufsbildung, wird aber dennoch nach wie vor von vielen Universitäten mit dem Ziel eingesetzt, die Studierenden auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Unserer Ansicht nach greift die Idee der „Praxiselemente“ bezogen auf ein universitäres Studium zu kurz, dessen spezifische Qualität nach unserer Überzeugung gerade darin liegt, durch Transferkompetenz breite und zeitlich überdauernde Anwendungsfelder zu erschließen. Die Transferanlässe können natürlich auch mit Partnern aus der Berufswelt entwickelt werden, sie bleiben für die Studierenden aber exemplarische Arbeitserfahrungen. Die Studierenden werden in der Regel keine Antwort auf die Frage nach dem konkreten Tätigkeitsfeld nach Studienabschluss finden, sondern sich im Adaptionsprozess wissenschaftlicher Qualifikation auf wechselnde Anwendungsfelder üben. Erst diese Fähigkeit zur Adaption und Weiterentwicklung von Wissen und Methoden ermöglicht es den Studierenden, später das Potential einer universitären Bildung vollständig und in wechselnden Kontexten zu nutzen und Innovationkraft zu entwickeln. Damit erfährt die Diskussion über das Konzept der „Employability“ eine dringende, universitätsadäquate Erweiterung.
Sowohl auf Seiten der Studierenden als auch im Kontakt mit externen Kooperationspartnern erfordert dieses Verständnis von Transfer transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten:
- Studierende müssen verstehen, dass auch Aufgabenstellungen aus der Praxis nur beispielhaften Charakter haben und nicht primär in das konkrete Tätigkeitsfeld einführen, sondern Transferroutinen einüben.
- Externe Kooperationspartner müssen akzeptieren, dass nicht allein ihr konkreter Arbeitsauftrag im Mittelpunkt steht, sondern die Aufgaben so gestaltet sein müssen, dass die Studierenden ihre im Studium erworbenen Wissensbestände und Methodenkenntnisse exemplarisch anwenden können.
- Lehrende müssen bei der didaktischen Gestaltung dieser Lernangebote die Grundlagen traditioneller wie auch neuer Transfertheorien berücksichtigen, damit bei den Studierenden die erwünschte Transferkompetenz entstehen kann.
Die Idee der „Schaffung von Transferanlässen“ entwickeln wir an der Universität Münster bereits seit vielen Jahren im QPL-Projekt „Employability“. Es spielt aber auch eine zentrale Rolle in dem von der Stiftung Mercator bis Ende 2020 geförderten Projekt „Das Praktikum als universitäres Lehr-Lern-Instrument“. Die Präsentation im Kloster Hegne kann mit Beispielen aus beiden Projekten illustriert werden.
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Kea Glaß, Universität Hamburg
In und mit der Hamburger Zivilgesellschaft sozialwissenschaftlich
forschen
Employability gilt als das zentrale Leitmotiv der Bologna-Reform, welches in der Hochschulpolitik kontrovers diskutiert wird. Trotz vieler kritischer Stimmen, dass Bologna das Gegenteil des humboldtschen Bildungsideals sei1, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass nur ein sehr geringer Teil der Hochschulabsolventinnen und -absolventen eine Wissenschaftskarriere anstreben, wohingegen die Mehrheit2 für die spätere Berufspraxis vorbereitet werden muss. Laut Ludwig sollten die Studierenden einen berufsfähigen Abschluss erhalten, der sie dazu qualifiziert professionell zu handeln.Professionelles Handeln bedeutet, das Wissen einer Fachdisziplin auf konkrete gesellschaftliche Probleme anwenden zu können, um diese zu lösen.
Um jedoch Fachinhalte adressatengerecht in die Praxis transferieren zu können, bedarf es spezieller Fähigkeiten, die Absolventinnen und Absolventen mitbringen müssen. Dazu zählen unter anderem der gezielte Einsatz von Kommunikationsstrategien, die Fähigkeit Probleme zu lösen, ein Verständnis über gesellschaftliche Strukturen und kulturelle Diversitäten, Projektmanagementerfahrungen, Team- fähigkeit und vieles mehr. Doch inwiefern kann den Studierenden professionelles Handeln im Rahmen universitärer Lehre vermittelt werden? Diverse Lehr-Lern-Konzepte, wie beispielsweiseforschungsbasiertes -, forschungsorientiertes -, forschendes - oder projektorientiertes Lernen, setzen ihren Schwerpunkt auf selbständiges und nachhaltiges Lernen. In diesem Zusammenhang können mithilfe des US-amerikanischen Forschungsansatzes Community-based Research (CBR) projektorientiert unter anderem nachhaltig berufsrelevante und persönlichkeitsstärkende Fähigkeiten vermittelt werden, um Studierende so als Professionelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft auszubilden.
In Community-based Research-Projekten wird anders als in der herkömmlichen universitären Forschung nicht über eine Community, sondern gemeinsam mit ihr als gleichberechtigter Partner geforscht. Am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Hamburg gibt es seit dem WS18/19 ein neues Lehrformat mit dem Titel „In und mit der Hamburger Zivilgesellschaft sozialwissenschaftlich forschen“, welches vom Universitätskolleg3 gefördert wird. In einem zweisemestrigen Seminar führen derzeit Bachelor- und Master-Studierende der Soziologie und Politikwissenschaft gemeinsam mit der Hamburger Zivilgesellschaft ein Forschungsprojekt auf Augenhöhe durch und leisten somit eine wichtige Transferleistung für unsere Stadt und Gesellschaft. Ziel dieses Seminars ist es, den ForschungsansatzCommunity-based Research konsequent in allen Forschungsschritten in einem zivilgesellschaftlichen Praxisprojekt umzusetzen. Unter dem Stichwort "gut alt werden in Bergedorf" setzt sich das Seminar mit dem "Haus im Park“ (gefördert durch die Körber Stiftung) auseinander - einer Einrichtung in Hamburg- Bergedorf, die Menschen die Möglichkeit gibt, auch im fortgeschrittenen Alter ihr Leben und ihre Umgebung aktiv mitzugestalten. Die Studierenden sollen sich in Gruppen gemeinsam mit der Bevölkerung Bergedorfs und Mitgliedern des „Haus im Parks“ diesem Thema intensiv widmen, indem sie gemeinsam eine Fragestellung, ein Forschungsdesign und ein Erhebungsinstrument erarbeiten. Daraufhin folgt die gemeinsame Datenerhebung, Datenauswertung und –Interpretation sowie das Verfassen eines Forschungsberichtes. Im letzten Schritt sollen die Studierenden und die Zivilgesellschaft gemeinsam die gewonnenen Ergebnisse diskutieren, um daraus konkrete Handlungen für das „gemeinsam alt werden in Bergedorf“ ableiten zu können.
1 Ulbrich, Juliane/Dudziak, Ines/Zylla, Brigitta (2014): Fachgutachten. Employability und Praxisbezüge im wissenschaftlichen Studium. Hochschulrektorenkonferenz – Projekt NEXUS Übergänge gestalten, Studienerfolg verbessern.
2 Ludwig, Joachim (2012): Studieneingangsphase als Professionalitätsproblem. In: Kossack, Peter/Lehmann, Uta/Ludwig, Joachim (Hg.): Die Studieneingangsphase – Analyse, Gestaltung und Entwicklung. Bielefeld: UVW UnoversitätsVerlagWebler, S. 45-56.
3 Das Universitätskolleg der Universität Hamburg fördert und unterstützt die Entwicklung sowie Erprobung innovativer Lehrprojekte unter der Rubrik „Lehrlabor“. Mit dem Titel „Community-based Research in der sozialwissenschaftlichen Methodenausbildung“ gewannen wir die einjährige Förderung an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
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Stephanie Heimgartner, Ruhr-Universität Bochum
Kompetenztransfer: Projektseminare in der Literaturwissenschaft als Brücken ins Berufsleben
Der Transfergedanke ist in den Geisteswissenschaften noch wenig verankert. Das liegt auch daran, dass ökonomisch relevante Wissensinhalte und offenkundig wirtschaftlich nutzbare Forschungsergebnisse, die eine Kooperation mit Unternehmen nahelegen, weitgehend fehlen. Zwar werden in einem geisteswissenschaftlichen Studium diskursives Wissen erworben und diskursive Kompetenz geschult, was sicher nicht ohne Auswirkungen auf die spätere Berufstätigkeit der Absolvent*innen bleibt. Dass es aber Möglichkeiten eines systematischen Aufbaus und Transfers praktischer Fähigkeiten und Möglichkeiten abseits rein handwerklich-methodischen Wissens gibt, wird kaum bedacht. Die Herausforderung insbesondere an Universitäten besteht darin, vertiefte Reflexion der wissenschaftlichen Gegenstände mit der Schulung methodischer Kompetenzen zu verbinden, die –möglicherweise in Form eines Referenzprodukts – selbstbewusst am Arbeitsmarkt präsentiert werden können und dort auch als Plus wahrgenommen werden.
Mein Beitrag berichtet über Erfahrungen in Projektseminaren mit Anteilen Forschenden und Praktischen Lernens seit 2010, die eine solche Zielsetzung verfolgen. In den Veranstaltungen wurden eine Online-Audiothek gestaltet, ein Literaturwettbewerb begleitet, ein Rezensionsblog eingerichtet, eine Literaturkarte des Ruhrgebiets erstellt, kritische Editionen wenig bekannter Werke vorgelegt und eine Literaturagentur simuliert. Neben den positiven Erfahrungen mit projektorientiertem Lernen kam es häufig zu einer nachhaltigen Verstetigung der Produkte und zu zahlreichen Kontakten der Studierenden in die Arbeitswelt.
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Carmen Leicht-Scholten
Vom Kopf auf die Füße gestellt: „Third Mission“ als Grundlage von Forschung und Lehre
Im Jahr 2017 hat die Hochschulrektorenkonferenz den Transfer und die Kooperation zwischen Gesellschaft und Hochschule als Aufgabe von Hochschulen benannt1. Ein parallelexistierender, sich teilweise kreuzender Diskurs existiert zum Thema „Third Mission“, der dieAufgaben von Hochschulen als einen Dreiklang beschreibt: Neben Forschung („First Mission“) und Lehre („Second Mission“) wird die gesellschaftliche Verpflichtung von Hochschulen („Third Mission“) in diesem Zusammenhang betont.
Diese Hierarchisierung der Aufgaben von Hochschulen soll in diesem Beitrag dekonstruiert und kritisch analysiert werden. Hochschulen, die zunehmend neoliberalen Verwertungsmustern folgen müssen, verstehen sich in erster Linie als Forschungseinrichtungen – die in einem nächsten Schritt für Lehre verantwortlich sind und danach gesamtgesellschaftliche Verantwortung tragen.
Im Rahmen des Vortrages soll diese Trias kritisch beleuchtet werden. Im Sinne des Humboldtschen Bildungsideals soll zudem die gesamtgesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen - die „Third Mission“ als theoretische Rahmung für die Entwicklung von Forschung und Lehre - diskutiert werden.
Beispielhaft werden dabei unterschiedliche Konzepte der RWTH Aachen vorgestellt, die unter der politischen Strategie „Responsible Research and Innovation“, wie sie auf europäischer Ebene beschrieben wird, zusammengefasst werden können. So wurde 2016 an der RWTH Aachen das Amt der Rektoratsbeauftragten für Socially Responsible Education geschaffen. Zu den Aufgabenbereichen dieses Amtes gehört es, Fragen der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung sukzessive in die Lehre aller Studiengänge zu integrieren.
Eine holistische Perspektive auf die Integration des Themas „soziale Verantwortung“ in dieLehre bedeutet dabei auch, den Studierenden Gender- und Diversity-Kompetenzen zu vermitteln. Diskurse zur Integration von Gender- und Diversity-Thematiken in unterschiedliche Studiengänge werden aktuell insbesondere in den Ingenieurwissenschaften geführt2.
In Anbetracht der politischen Geschehnisse in Europa und darüber hinaus, muss sich demokratische Wissenschaft3 ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein und diese nutzen. Eine Vermittlung entsprechender Kompetenzen (auch Gender- und Diversity-Kompetenzen) ist im Rahmen einer sozial verantwortlichen Lehre - und in einem weiteren Schritt - auch für die Forschung demnach unabdingbar.
1 https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-01- Beschluesse/Entschliessung_Transfer_und_Kooperation_14112017.pdf
2 http://www.cdio.org/news/presentations-cdio-seminar-gender-and-diversity-inclusive-engineering-education3 In Anlehnung an Robert K. Merton, der sich in den 1930er Jahren, als faschistische Kräfte an Einfluss gewannen, mit den Grundzügen echter, demokratischer Wissenschaft auseinandersetzte (vgl. Merton, Robert King (1968): Social theory and social structure. New York und London: Free Press und Collier-Macmillan).
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Kai-Uwe Schnapp, Universität Hamburg
Das Hamburger „Projektbüro Angewandte Sozialforschung“ – eine Infrastruktur für praxisorientierte Lehr-Forschung
Das sozialwissenschaftliche Studium ist an deutschen Universitäten oft weit entfernt von Anwendungsbezügen und praktischem Nutzen. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass heute die meisten jungen Menschen, die an einer Universität studieren, diese wieder verlassen werden. Daher muss es nach meiner Meinung der Universität darum gehen, Studierenden neben der Möglichkeit des Erwerbs der Fähigkeit zum (reinen) wissenschaftlichen Denken auch die Chance zu geben, Fähigkeiten und Kompetenzen zu erwerben, mit denen auf der Basis wissenschaftlicher Betrachtungs- und Arbeitsweisen und einer forschenden Haltung Alltagsprobleme gelöst werden können. Dieser Prozess bedarf der Auseinandersetzung mit konkreten Projekten, der Arbeit in Teams und er benötigt Projektpartner aus der gesellschaftlichen Praxis. Er bedarf des Lösens von Problemen und Konflikten bei der Erarbeitung eines Forschungsdesigns oder der Fertigstellung eines Projektberichtes, wenn der Abgabetermin näher rückt. Er bedarf der Vermittlung der erarbeiteten Ergebnisse an die Partner außerhalb der Universität, oder idealer Weise der gemeinsamen Entwicklung dieser Ergebnisse. Gelingen solche Prozesse in der Lehre, so ermöglichen sie Lern- und Forschungsergebnisse, die wissenschaftlich und gesellschaftlich relevant sind. Wenn es dabei gleichzeitig gelingt, hohe wissenschaftliche Qualität und Redlichkeit, gute Verständlichkeit sowie Verlässlichkeit im Umgang mit Praxispartnern zu entwickeln, dann kann der Studienprozess an einer Hochschule starke Praxisbezüge enthalten ohne auf Bildung, Reflexion und wissenschaftliche Standards verzichten zu müssen.
Die Sozialwissenschaften verfügen über eine große Themen- und Methodenvielfalt, die fruchtbare Kooperationen mit gesellschaftlichen und politischen Organisationen erlaubt. Diese werden aber in der Gesellschaft wie an Universitäten bislang zu selten wahrgenommen. Dabei ist eine verstärkte Kooperation mit der Praxis für die sozialwissenschaftliche Lehre nicht nur wünschenswert, sondern nach meiner Überzeugung und Erfahrung auch möglich. Praxisbezogene Lehrforschung fordert Lehrenden aber viel ab, weil zu den „klassischen“ Lehraufgaben eine große Menge an Organisations- und Koordinationsaufgaben hinzukommt. Außerdem benötigt die Beratung der studentischen Projekte viel Zeit, denn vor allem muss sichergestellt werden, dass Studierende in solchen Projekten zwar an ihre Grenzen stoßen, aber nicht überfordert, ausgenutzt oder gar vorgeführt werden. Lehrkonzepte sind daher anzupassen, Ideen zu entwickeln, wie umfangreiche Projekte in Semestertakt sinnvoll bearbeitet werden können, Projektpartner müssen gefunden und motiviert, Projekte eingeleitet, vor- und nachbereitet und natürlich durchgeführt werden. Lehrende wie Studierende müssen ihre Komfortzone verlassen. Das ist gut und richtig, aber es bedarf geeigneter Strukturen, um dies regelmäßig, erfolgreich und auf breiter Basis, also für viele Studierende leisten zu können.
Das „Projektbüro Angewandte Sozialforschung“ wurde im Jahre 2010 am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Hamburg gegründet, um Lehr-Praxis-Kooperation zu organisieren und zu unterstützen. Das Projektbüro ist eine auf Dauer gestellte Struktur, die den Lehrenden Organisationsarbeit abnimmt und didaktische Unterstützung bietet, damit direkt praxisbezogene Lehre regelhaft durchgeführt werden kann. Dazu kooperiert das Projektbüro mit einem wachsenden Netzwerk von Organisationen und Vereinen der Hamburger Zivilgesellschaft, den Behörden (Ministerien) der Stadt sowie mit Partnern außerhalb Hamburgs. Gleichzeitig entstand innerhalb der Universität Hamburg ein Netzwerk von Kolleginnen, das daran arbeitet, didaktisch wie organisatorisch die Bedingungen für erfolgreiche Praxiskooperationen zu verbessern und mehr Kolleginnen für diese Art der unmittelbar gesellschaftlichsbezogenen Lehrforschung zu begeistern. Die Arbeit des Projektbüros soll mit dem eingereichten Beitrag vor- und zur Diskussion gestellt werden.
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Uta Wilkens
Transferorientierte Lehr-Lern-Formate in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften –Strukturelle Voraussetzungen zur weiteren Erschließung eines Möglichkeitsraums
Transferorientierte Lehre ist kein Selbstzweck, sondern dient der Erreichung wichtiger Kompetenz- entwicklungsziele und dem universitären Auftrag, durch Erkenntnisfortschritt zur gesellschaftlichen Erneuerung beizutragen. Vor diesem Hintergrund lassen sich drei Varianten transferorientierte Lehre besonders hervorheben:
Simulationsmodell – es basiert auf der Annahme, dass die Entwicklung professionsrelevanter verhaltensbezogener Fähigkeiten zumindest zum Teil in den Kanon universitärer Bildung gehört und am wirksamsten in Anwendungsszenarien gelingt (z.B. Simulation schwieriger Lehrer-Eltern- Gespräche in der Lehrerbildung; Erkennen von Entscheidungsfolgen in einem Unternehmens- planspiel). Zentral ist hier, dass eigene Erfahrungen in sanktionsfreier Umgebung gemacht und reflektiert werden können, um für spätere Handlungssituationen zu lernen. Dies schließt das Lernen aus Fehlern ein.
Kooperationsmodell – es basiert auf der Annahme, dass ein tieferes Verständnis von Inhalt und Methoden durch Kontextualisierung gefördert wird. Dies gelingt, wenn die Inhalte und Methoden an den Problemlagen und Herausforderungen oder auch Rollenmodellen der Praxis gespiegelt und erprobt werden können (z.B. Entwicklung von Maßnahmen zur Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt in Zusammenarbeit mit Arbeitgebern; Verstehen von Gründungsherausforderungen im Austausch mit start-ups). Zentral ist hier, dass der Lerninhalt durch die Praxiskooperation einen Bedeutungszuwachs erfährt und dies die Lernmotivation stärkt.
Innovationsmodell – es basiert auf der Annahme, dass die Fähigkeit zur Praxiserneuerung im universitären Bildungsauftrag angelegt ist und nur dann hinreichend abgebildet wird, wenn neben Inhalt und Methode auch die Mittel, Wege, Kooperations- und Kommunikationsformen geübt und erfahrbar werden, die die Voraussetzung bilden, damit sich Praxis gegenüber neuesten wissen- schaftlichen Erkenntnissen öffnet (z.B. Entwicklung eines Implementierungsansatzes für ein Bürger- beteiligungsmodells in Kooperation mit einer öffentlichen Verwaltung). Daraus ergeben sich zugleich Innovationsanstöße für die Lehre.
Umsetzungsmöglichkeiten für transferorientierte Lehre erscheinen in den Wirtschafts- und Sozial- wissenschaften sowie professionsbasierten Studienfeldern wie Lehramt, Jura oder Medizin offensichtlicher, weil hier die Gestaltung von Simulationsumgebungen und Simulationsszenarien naheliegender sind. Die darüber hinausgehenden Kooperations- und Innovationsmodelle sind aber gerade auch für die Geisteswissenschaften von hoher Relevanz. Sie können dann besonders gut angewendet werden, wenn Inhalt und Methoden verzahnt werden. Z.B. findet durch digital humanitiesderzeit ein starker Umbruch in der universitären Methodenausbildung statt. Perspektivisch verändern sich u.a. Museums- und Archivarbeit grundlegend. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse können durch Studierende an die Praxispartner herangetragen werden, indem sie dort technologiebasierte Dokumentations- und Auswertungsmethoden in Pilotfeldern übernehmen. Sie erhalten dadurch eine Trainingsumgebung und der Praxispartner einen Erkenntniszuwachs.
Eine wichtige Erfolgskomponente für die Zielerreichung ist, dass transferorientierte Lehre unmittelbar in curricular bestehende Formate integriert wird, also mit der Vermittlung von Inhalt und Methoden verzahnt ist und keine vom sonstigen Kanon losgelöste Veranstaltungsvariante bildet.
Hinsichtlich der Unterstützungsstrukturen verursacht das Simulationsmodell einen geringeren und stärker dezentral zu verortenden Aufwand, wohingegen Kooperations- und Innovationsmodell besonders von einer nach außen gut vernetzten eher zentral agierenden Transferstelle profitieren. Für
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das Simulationsmodell bedarf es didaktischer Fähigkeiten in der Ausgestaltung von Lernsettings bis hin zur Planspielentwicklung. Dies kann durch die hochschuldidaktischen Einrichtungen begleitet und durch kollegiales Modelllernen weiter unterstützt werden. Ggf. kommen kostenintensivere Laborkomponenten, wie z.B. Behandlungsraum mit Simulationspatienten hinzu. Dies muss dann dezentral bereitgehalten werden. Der Aufbau solcher Formate erfordert neben Ausstattung auch zusätzlichen Personalaufwand für die Entwicklung von Szenarien und die intensivere Studierenden- betreuung, der aber perspektivisch selbsttragend sein kann. Werden Simulationen parallel in der wissenschaftlichen Weiterbildung vermarktet, lassen sich daraus auch Rückflüsse generieren.
Um das Kooperations- und Innovationsmodell verfolgen zu können, bedarf es über hochschul- didaktische Kenntnisse hinaus einer intensiven wechselseitigen Kontaktpflege mit der Praxis. Dies erfordert hohen persönlichen Einsatz. Zwar kann dieser nicht beliebig delegiert werden, aber es kann durch eine zentrale Transferstelle, die den Praxisaustausch zu den unterschiedlichsten Partnern aus Wirtschaft, Verwaltung, NGOs etc. professionell durch Austauschforen und digitale Vernetzung betreibt, maßgeblich unterstützt werden. Transferengagierte Lehrende können dadurch in organisatorischer Hinsicht entlastet werden. Wenn es gelingt, die Verantwortung für die Ausrichtung von Austauschforen zum Netzwerken und zur Reflexion wissenschaftlicher Erkenntnisse sukzessive auf Praxispartner zu übertragen (Beispiel: TechMixer-Seminare in Boulder), dann ist das ein Erfolgs- indikator für Kooperationsqualität und ein Zeichen für Nachhaltigkeit. Umso mehr Beratungs- und Transferaktivitäten von solch einer Transferstelle ausgehen, umso sichtbarer ist sie und umso wirksamer kann sie für alle Wissenschaftsfelder werden. Geisteiswissenschaften profitieren dann von schon engeren Kooperationen der Ingenieur-, Natur- oder Wirtschaftswissenschaften mit. Solch eine Transferstelle wird mindestens in der Größenordnung einer hochschuldidaktischen Einrichtung zu veranschlagen und als universitäre Daueraufgabe einzuordnen sein. Unter gegenwärtigen Hochschulstrukturen ist sie idealerweise einem Prorektorat Forschung und Transfer zuzuordnen, das eng mit einem Prorektorat Lehre und Studium kooperiert.