Inklusive Führung an der Universität Konstanz
Hinweis
Verabschiedet vom Senat am 14.09.2022.
Präambel
Die Universität Konstanz sieht sich als verantwortungsbewusste, gestaltende gesellschaftliche Kraft und hat sich deshalb den Zielen der Exzellenz in Forschung und Lehre, der Internationalisierung und der sozialen Nachhaltigkeit verschrieben. Als Institution für Forschung und Lehre und als Arbeitgeberin hat sie zudem eine organisationale Verantwortung gegenüber all ihren Mitgliedern. Dazu gehört die Sicherung und Förderung der Gesundheit aller Mitglieder, die Unterstützung individueller Lebensentwürfe und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Förderung des kreativen Potenzials der Universitätsmitglieder auf allen Ebenen durch faire, gender- und diversitygerechte Rahmenbedingungen, durch intensive Kommunikation und durch ein gelebtes Miteinander.
Um ihre Ziele zu erreichen, pflegt die Universität Konstanz in ihren wissenschaftlichen Einrichtungen und wissenschaftsunterstützenden Bereichen eine Kultur der Kreativität und der Ermöglichung. Auch die Strukturen ihrer akademischen Selbstverwaltung und ihrer zentralen und dezentralen Verwaltung gewährleisten transparente und partizipative Entscheidungs-prozesse mit klaren Verantwortlichkeiten sowie Veränderungs- und Erneuerungsbereitschaft.
Die Universität Konstanz hat sich in ihrem Diversity-Kodex zur Förderung der Vielfalt ihrer Mitglieder explizit bekannt und es sich zum Ziel gesetzt, eine diskriminierungsfreie Organisations- und Wissenschaftskultur zu etablieren, in der alle Mitglieder ihre Ziele erreichen können. Dieses Bekenntnis ruht auf drei Säulen: a) der Anerkennung von Diversity als gesellschaftlicher Realität und als Wert, b) der Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe durch Chancengleichheit im Studium und auf allen Qualifikationsstufen und c) der Vermeidung von direkter und indirekter Diskriminierung.
Diese Ziele wurden im Rahmen der Exzellenzstrategie konkretisiert und operationalisiert. Aufbauend auf bereits gelebten Werten möchte die Universität diese Ziele unter anderem auch durch die Förderung und Pflege eines positiven Diversity-Klimas erreichen. Dabei spielen Führungskräfte und deren Führungsstil eine besonders wichtige Rolle. Bis dato existierten an der Universität Konstanz bereits Führungsgrundsätze für den wissenschaftsunterstützenden Bereich1, diese werden mit der vorliegenden Policy erweitert. Für den wissenschaftlichen Bereich werden hiermit erstmalig Führungsgrundsätze etabliert.
Dieser Ansatz formuliert Grundprinzipien des Führungshandelns und hofft dadurch, die strukturellen Maßnahmen und Ziele der Organisation in den individuellen Alltag der Mitglieder der Universität zu bringen.
Inklusive Führung
Aktive Führung ist ein Schlüssel zum Erfolg von Arbeitsgruppen und Organisationen2. Diese Tatsache ist Führungskräften im wissenschaftsunterstützenden Dienst bewusst und trifft auch auf die Wissenschaft zu. Auch wenn viele Wissenschaftler*innen sich in erster Linie als forschend und lehrend verstehen, haben sie dennoch gleichzeitig auch wichtige Führungsaufgaben, die oft in ihrem Selbstverständnis nicht fest verankert sind. Deshalb möchte die Universität Konstanz besonders diese Gruppe unter ihren Mitgliedern darin bestärken, Führung als inhärenten Teil ihrer Arbeit zu betrachten und sich deshalb mit dem Thema inklusiver Führung zu befassen.
Unter inklusiver Führung verstehen wir …
… einen oftmals gegenseitigen Einflussprozess, der die Absicht hat, gemeinsame Ziele zu erreichen3 und dabei die Inklusion aller Mitarbeitenden zu berücksichtigen und zu fördern4.
Entsprechende Führungskonstellationen umfassen nicht nur die klassische Konstellation einer formalen Führungskraft und deren zugeordnete Mitarbeitende, sondern auch laterale, kollegiale Beziehungen (z.B. zwischen verschiedenen Professor*innen im Kontext von Berufungsverfahren oder Forschungsprojekten) sowie informelle Führungsbeziehungen wie z. B. zwischen Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase und wissenschaftlichen Hilfskräften oder wissenschaftsunterstützenden Mitarbeitenden. Inklusive Führung ist zudem mit verschiedenen wünschenswerten Effekten, z. B. erhöhter Kreativität5 und Innovationsvermögen6 sowie konstruktiver Kommunikation7 assoziiert und kann damit auch entsprechende Vorteile für Teams ermöglichen, in denen Inklusion als wichtiges Ziel der Führung betrachtet wird.
Inklusion von Mitarbeitenden besteht aus zwei wichtigen Elementen: Zugehörigkeit und Einzigartigkeit8. Konkret bedeutet dies, dass inklusiv handelnde Führungskräfte:
- erkennen, dass Mitarbeitende und Kolleg*innen ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit haben, sich als Teil der Gruppe zu fühlen. Um dies zu erreichen, stellen Führungskräfte sicher, dass:
- sie Individuen im Rahmen der Gruppe fördern,
- sie eine gerechte Behandlung und Chancengleichheit ermöglichen und
- alle Mitarbeitenden angemessen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
- erkennen, dass Mitarbeitende und Kolleg*innen auch ein Bedürfnis nach Einzigartigkeit haben, d.h. als einzigartige Individuen gesehen werden möchten. Um dies zu erreichen, stellen Führungskräfte sicher, dass:
- Mitarbeitende und Kolleg*innen ermutigt werden, unterschiedliche Standpunkte, Gedanken und Ideen einzubringen,
- alle Gruppenmitglieder ihren vollen Beitrag zur Gruppe einbringen können und
- individuelle Lebensumstände im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten angemessen berücksichtigt werden (z.B. Care-Aufgaben oder gesundheitliche Beeinträchtigungen).
- eine wertschätzende Haltung9 gegenüber ihren Mitarbeitenden zeigen.
Um dies zu erreichen, stellen Führungskräfte sicher, dass
- sie eingebrachte Leistungen und Beiträge ihrer Mitarbeitenden und Kolleg*innen bemerken, anerkennen, loben und besondere Leistungen hervorheben.
- Offenheit und Unterstützung für organisationalen Wandel9 in Richtung einer inklusiven Universität zeigen und dies auch innerhalb der Organisation weitertragen.
Um dies zu erreichen, zeigen inklusiv handelnde Führungskräfte, dass
- sie offen für organisationalen Wandel sind und
- sie das Organisationsziel der Inklusion mittragen und fördern.
Führungskräfte der Universität Konstanz verstehen und akzeptieren, dass die Bedürfnisse von Zugehörigkeit und Einzigartigkeit keine Gegensätze sind, sondern gleichwertig bedacht werden müssen. Damit können sie es allen Mitarbeitenden und Kolleg*innen – unabhängig von ihren Diversity-Merkmalen – ermöglichen, ein vollwertiges Mitglied und wichtiger Teil der Universität Konstanz zu sein und sich auch selbst so wahrzunehmen. Führungskräfte der Universität Konstanz verstehen und akzeptieren, dass eine wertschätzende Haltung gegenüber den Mitarbeitenden, sowie Offenheit und Unterstützung für den organisationalen Wandel im alltäglichen Miteinander gelebt werden müssen. Diversity ist eine Chance, aber auch eine Herausforderung. Die Universität ist bestrebt, ihre Strukturen gemäß den Bedürfnissen der verschiedenen Diversity-Merkmale zu gestalten. Sie unterstützt Führungspersonen dabei, einen authentischen, diversitygerechten Führungsstil zu entwickeln, zu pflegen und umzusetzen.
Zielgruppen
Um das Ziel einer inklusiven Führungskultur zu erreichen, müssen alle Führungskräfte innerhalb der Universität erreicht werden. Diese Policy richtet sich deswegen sowohl an wissenschaftliche Führungskräfte als auch an Führungskräfte im wissenschafts-unterstützenden Dienst. Dazu gehören u. a.: Professor*innen, Tenure Track Professor*innen, Juniorprofessor*innen, Fachbereichs- und Sektionsreferent*innen, Arbeitsgruppenleitungen, Abteilungsleitungen, Stabsstellenleitungen, Sachgebietsleitungen und Wissenschaftler*innen in der Qualifizierungsphase mit Führungsaufgaben sowie Personen die qua Wahl Führungsämter in den Fachbereichen, Clustern, Forschungsverbünden und anderen Bereichen der Universität innehaben. Die Einbeziehung dieser Gruppen ist von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der organisationalen Kultur und des damit verbundenen Klimas, da Führungskräfte Katalysatoren organisationalen Wandels sind. Sie haben einen starken gestalterischen Einfluss auf Lehre, Forschung sowie Management und Verwaltung und beeinflussen, ob der Zugang sowohl zu Bildung als auch zu Karrieren für alle Personen unter Berücksichtigung ihrer Diversity-Merkmale möglich ist und ob die Universität Konstanz als Arbeitgeberin ihren Pflichten und ihrer Verantwortung gerecht wird.
Fortbildungs- und Unterstützungsangebote
Der Arbeitsbereich Diversity im Referat für Gleichstellung, Familienförderung und Diversity organisiert die nötige Unterstützung zur Förderung und Pflege eines inklusiven Führungsstils an der Universität Konstanz. Dazu kooperiert das Referat mit anderen relevanten Stellen der Universität, wie z. B. mit dem Academic Staff Development, der Personalabteilung und dem International Office, um ausreichende Informations- und Weiterbildungsangebote bereitzustellen, die auf unterschiedliche Weisen die notwendigen Kompetenzen vermitteln.
Je nach Zielgruppe und Bedarf wird Folgendes entwickelt und angeboten:
- Impulsvorträge bei Onboarding-Veranstaltungen
- Vorträge im Rahmen passender Veranstaltungen der Fachbereiche (z. B. Tag der Lehre)
- Informationsveranstaltungen zu den Grundlagen inklusiver Führung
- Workshops, Übungsformate zur Etablierung relevanter Fähigkeiten bei Führungskräften
- Individuelles Mentoring für Führungskräfte, die ihre Kompetenzen gezielt erhöhen möchten
- Schulungen von Antragsstellenden und Mitgliedern von Forschungsverbünden
- Ressourcen und Handreichungen zur individuellen Weiterbildung, z. B. in der Form von Online-Übungsmaterialien, Webseiten und Broschüren
- Weiterbildungen zum Management von heterogenen Teams
- Weiterbildungen zur interkulturellen Kommunikation
Verweise und Literaturverzeichnis
1 Führungsgrundsätze der Universitätsverwaltung, der Stabstellen, des Kommunikations-, Informations- und Medienzentrums (KIM) und der Tierforschungsanlage: https://www.uni-konstanz.de/personalabteilung/personalentwicklung-und-fortbildung/fuehrungskultur
2 DeRue, S. D., Nahrgang, J. D., Wellmann, N. & Humphrey, S. E. (2011). Trait and behavorial theories of leadership: An integration and meta-analytic test of their relative validity. Personnel Psychology, 64, 7–52. doi.org/10.1111/j.1744-6570.2010.01201.x
3 Yukl, G. A. (2013). Leadership in organizations (8. ed., global ed). Boston, Munich u.a: Pearson.
4 Shore, L. M., Randel, A. E., Chung, B. G., Dean, M. A., Holcombe Ehrhart, K. & Singh, G. (2011). Inclusion and diversity in work groups: A review and model for future research. Journal of Management, 37(4), 1262–1289. doi.org/10.1177/0149206310385943
5 Carmeli, A., Reiter-Palmon, R. & Ziv, E. (2010). Inclusive leadership and employee involvement in creative tasks in the workplace: The mediating role of psychological safety. Creativity Research Journal, 22(3), 250–260. doi.org/10.1080/10400419.2010.504654
6 Fang, Y.‑C., Chen, J.‑Y., Wang, M.‑J. & Chen, C.‑Y. (2019). The impact of inclusive leadership on employees‘ innovative behaviors: The mediation of psychological capital. Frontiers in Psychology, 10, 1803. doi.org/10.3389/fpsyg.2019.01803
7 Qi, L. & Liu, B. (2017). Effects of inclusive leadership on employee voice behavior and team performance: The mediating role of caring ethical climate. Frontiers in Communication, 2. doi.org/10.3389/fcomm.2017.00008
8 Randel, A. E., Galvin, B. M., Shore, L. M., Ehrhart, K. H., Chung, B. G., Dean, M. A. et al. (2018). Inclusive leadership: Realizing positive outcomes through belongingness and being valued for uniqueness. Human Resource Management Review, 28(2), 190–203. doi.org/10.1016/j.hrmr.2017.07.002
9 Veli Korkmaz, A., van Engen, M. L., Knappert, L. & Schalk, R. (2022). About and beyond leading uniqueness and belongingness: A systematic review of inclusive leadership research. Human Resource Management Review, 100894. doi.org/10.1016/j.hrmr.2022.100894