Verbindlichkeit und Flexibilität
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer diskutierte an der Universität Konstanz über die wissenschaftliche Nachwuchsförderung
Das Thema wissenschaftlicher Nachwuchs sei „zum Glück“ in der Öffentlichkeit und Politik angekommen, sagte Theresia Bauer bei der Podiumsdiskussion am gestrigen Mittwoch, 1. Juli 2015, an der Universität Konstanz. Die Wissenschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg bereist derzeit die Landesuniversitäten, um die neuen Möglichkeiten der Nachwuchsförderung unter anderem durch den neuen Hochschulfinanzierungsvertrag „Perspektive 2020“ zu diskutieren. An der Universität traf sie auf Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger, Prof. Dr. Giovanni Galizia als Direktor des Zukunftskollegs der Universität Konstanz sowie auf junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Giovanni Galizia wollte den Begriff des wissenschaftlichen Nachwuchses am liebsten gestrichen sehen. Für den Direktor des Zukunftskollegs weist er fälschlicherweise auf etwas Unvollständiges hin. Auch die Ministerin betonte bei jeder Gelegenheit den Wert der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für das gesamte Wissenschaftssystem. Die Qualität von Forschung und Lehre sei in Baden-Württemberg auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu verdanken. Zurzeit werde ihm mit den Zeitverträgen jedoch wenig angeboten: „Die Perspektive der Betroffenen selbst kommt noch zu kurz“, räumte sie ein.
Bei der Podiumsdiskussion, die von Julia Wandt, der Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing, moderiert wurde, konnte sich die Ministerin ein Bild von der Situation an der Universität Konstanz machen. Wie von Rektor Rüdiger gewünscht entwickelte sich das Informationsgespräch im Verlauf des Abends zu keiner „Hochglanzveranstaltung“, sondern zu einer Plattform sowohl für Kritik als auch neue Ideen.
Theresia Bauer stellte die Maßnahmen der Landesregierung zur Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor. Für die Promotionsphase sind demnach beispielsweise verbindliche individuelle Betreuungsvereinbarungen vorgesehen. Die Stimme der Doktoranden soll künftig stärker gehört werden, wofür Doktorandenkonvente eingerichtet werden sollen. An der Universität Konstanz ist ein solcher bereits zusammengekommen – für die Sektion Politik – Recht – Wirtschaft unter der Regie von Clara Neupert-Wentz, die als Vertreterin der Doktoranden kritisierte, dass die neue Einrichtung lediglich beratende Funktion haben soll.
Für die Postdoktoranden-Phase kündigte Theresia Bauer an, dass die Attraktivität der Juniorprofessuren erhöht werden wird. In diesem Zusammenhang sprach sie von „verlässlichen“ Tenure Track-Stellen, die nach positiver Evaluierung direkt in eine W3-Professur übergehen können. Auch in puncto Gleichstellung haben sich Juniorprofessuren als positiv erwiesen.
Das Thema Zeitverträge aufgreifend kündigte die Ministerin an, dass es künftig Verträge unter zwei Jahren nur noch in begründeten Ausnahmefällen geben werde. Arbeit an der Perspektive Dauerhaftigkeit, nannte sie es später und „mehr Menschen in eigenständige Positionen bringen“. Wobei sie das lediglich als Rahmen verstand, den die Hochschulen selbst ausfüllen sollen. „Auf Sie kommt es an, mehr als je zuvor“, wandte sie sich an das gesamte Audimax. Diesen Appell bezog sie ausdrücklich auch auf das, was sie als „Kultur“ an Universitäten ausmachte: Die Überzeugung, Wissenschaftler arbeiten nur dann gut, wenn sie unter Druck stehen. Demgegenüber hatte Emmy-Noether-Gruppenleiter Dr. Andreas Thum zuvor darauf verwiesen, dass Existenzängste der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oft ihre wissenschaftliche Arbeit überlagerten.
Im Verlauf der Diskussion mit der Ministerin wurde auch die Kürze der Förderzeiträume Thema. Dabei ging es nicht nur um die mangelnde Planbarkeit von Einzelkarrieren, die die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Emily Petermann beklagte, sondern auch um die ganzer Universitätsstrukturen. Giovanni Galizia wies in diesem Zusammenhang auf die üblichen Förderzeiträume etwa von Stiftungen hin, die Universitäten nach fünf Jahren mit der neuen Stellenstruktur zurückließen. Rektor Ulrich Rüdiger schlug im Zusammenhang mit Dauerstellen sogenannte Matching Funds vor, in deren Rahmen Professuren durch aufeinanderfolgende Finanzierungen von Bund, Land und Universität gedehnt werden könnten. „Große Sympathie“ bekundete da Theresia Bauer, verbunden mit dem Hinweis, dass die Pensionen der Professuren dennoch stets vom Land getragen werden müssen.
Emily Petermann beklagte als Vertreterin der Habilitierenden unter anderem das „starke Abhängigkeitsverhältnis“ des Mittelbaus und die Gefahr der Ausbeutung auch aufgrund fehlender Stellenbeschreibungen. Abermals betonte hier Theresia Bauer, dass entsprechende Impulse von den Universitäten kommen müssten. Ähnlich die Antwort auf Prof. Dr. Bent Gebert. Der Juniorprofessor wollte von der Ministerin wissen, wie die Tenure Track-Stellen zu nutzen seien, um „Verteilungskämpfe“ um die W3-Stellen zu verhindern. Der von der Landesregierung zur Verfügung gestellte Spielraum erlaube eine Freiheit, „die Unruhe stiftet“, gab die Wissenschaftsministerin zu.
Bei der Diskussion plädierte sie auch für Verbesserungsmaßnahmen bei den Berufungsverfahren. Auf den Vorschlag, den Mittelbau ganz zugunsten von mehr Professuren abzuschaffen, setzte sie sich für dessen Erhalt und im Bereich Lehre für „differenziertere Personalkonzepte“ ein. Es sei sinnvoll, nicht nur auf Tenure Track zu setzen, meinte sie in Richtung auf Stellen unterhalb der Professur. Beim jetzigen Stellenspektrum könnten auch ältere Bewerber „mitgedacht“ werden. Über die Zwölf-Jahres-Regelung müsse neu nachgedacht werden, betonte sie des Weiteren, wobei sie auch hier wieder einwarf: Es sei wichtig, dass sich die Wissenschaftsgemeinschaft selbst zu Wort melde. „Wir können nur helfen, wenn wir die Stimme der Betroffenen hören“, erinnerte sie an den Erfolg des Aktionstags der Landesuniversitäten im Mai 2014.
Auf dem Podium:
Theresia Bauer
Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Rüdiger
Prof. Dr. Giovanni Galizia
Juniorprofessor Dr. Bent Gebert
Clara Neupert-Wentz
Dr. Emily Petermann
Dr. Andreas Stephan Thum
Julia Wandt (Moderation)