Präzisere Diagnosen durch Zusammenarbeit

Presseinformation Nr. 7 vom 21. Januar 2015

Studie mit Medizinstudierenden zeigt weniger Fehldiagnosen bei Zusammenarbeit

Medizinstudierende sind in ihren Diagnosen präziser, wenn sie im Team arbeiten – das zeigte eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Konstanz, der Charité Universitätsmedizin Berlin sowie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung Berlin. Zu zweit arbeitende Medizinstudierende stellten weniger Fehldiagnosen als ihre einzeln arbeitenden Kommilitonen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift JAMA (Journal of the American Medical Association) veröffentlicht.

Diagnostische Fehler kommen in rund zehn bis fünfzehn Prozent aller Fälle vor und stellen ein schwerwiegendes Problem in der medizinischen Praxis dar. Meist gehen falsche Einschätzungen auf Fehler bei der Auswertung oder Interpretation der Befunde zurück. Die aktuelle Studie geht der Frage nach, ob und inwieweit Teamarbeit einen wertvollen Beitrag zur Reduktion dieser Fehler beitragen kann.

Die rund 90 teilnehmenden Medizinstudierenden der Charité wurden vor die Aufgabe gestellt, am Computer aufwändig simulierte Patientenfälle zu diagnostizieren – entweder in Zweierteams oder allein. Alle angehenden Mediziner hatten einen vergleichbaren Wissensstand und sollten für jeweils sechs Patienten mit Atemnot diagnostische Tests anordnen. Anhand der erhaltenen Ergebnisse galt es, eine Diagnose zu stellen. Auf sich selbst gestellte Teilnehmer lagen bei drei der sechs Diagnosen richtig, Zweierteams stellten hingegen bei vier der sechs Fälle die korrekte Diagnose. Dieser Effekt ginge nicht darauf zurück, dass Teams einfach über eine höhere statistische Wahrscheinlichkeit verfügen, ein „wissendes“ Mitglied zu haben, erläutert Prof. Dr. Wolfgang Gaissmaier, Professor für Sozialpsychologie und Entscheidungsforschung an der Universität Konstanz. Vielmehr scheint die Zusammenarbeit bei der Interpretation der Befunde geholfen haben, schlussfolgern die Autoren.

„Zusammenarbeitende Medizinstudierende haben ihre Diagnosen darüber hinaus mit einer höheren Selbstsicherheit getroffen, auch wenn ein hohes Sicherheitsgefühl nicht immer mit einer korrekten Diagnose einherging“, beobachtete Wolfgang Gaissmaier. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten jeweils mit angeben, wie sicher sie sich in ihrer Diagnose waren. „Es zeigte sich, dass eine auseinanderklaffende Selbstsicherheit der Teammitglieder ein guter Indikator für eine falsche Diagnose ist, was jedoch in weiterführenden Studien noch genauer untersucht werden muss“, führt Gaissmaier aus.

Die Zweierteams waren zwar präziser, benötigten in der Studie jedoch auch doppelt so viel Zeit, um zu ihrer Diagnose zu gelangen. Unter realen Bedingungen wären ihre Untersuchungen jedoch in der Summe schneller verlaufen. „Teamarbeit bei medizinischen Diagnosen zahlt sich aus und kann auf relativ einfache Art und Weise diagnostische Fehler reduzieren“, fasst Wolfgang Gaissmaier zusammen.


Originalpublikation:

Wolf E. Hautz, Juliane E. Kämmer, Stefan K. Schauber, Claudia D. Spies, Wolfgang Gaissmaier: "Diagnostic Performance by Medical Students Working Individually or in Teams", Journal of the American Medical Association, 2015 Jan 20 [Epub ahead of print]
http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2091295