Minimale Temperaturunterschiede

Presseinformation Nr. 88 vom 11. Juli 2013

Ein internationales Team mit Konstanzer Beteiligung erklärt die Wärmeentwicklung im Nanobereich

Wie funktioniert die Erwärmung von Materialien bei einem Stromfluss auf der atomaren Skala? Diese Frage konnte nun ein internationales Forscherteam mit Konstanzer Beteiligung beantworten. In diesem Zusammenhang wurde erstmals die Landauer-Büttiker-Theorie der Wärmedissipation experimentell bestätigt. Juniorprofessor Dr. Fabian Pauly vom Konstanzer Fachbereich Physik kooperierte mit Forschern der University of Michigan, USA, sowie der Universidad Autónoma de Madrid, Spanien. Die Ergebnisse sind in der Juni-Ausgabe des renommierten Wissenschaftsjournals Nature erschienen.

Strom, der durch einen Draht fließt, erwärmt das Material. Der Effekt wird beispielsweise in einem Fön, elektrischen Herd oder Wasserkocher ausgenutzt. Allerdings ist so auch die Aufheizung zu erklären, die entsteht, während Computer in Betrieb sind. Hier stellt die Erwärmung erhebliche Probleme für das Material sowie die Funktion der Geräte dar und erfordert meist eine aktive Kühlung. Auf der makroskopischen Ebene ist der Vorgang der Wärmeentwicklung wissenschaftlich geklärt. Im mikroskopischen Bereich gelten die Gesetze der makroskopischen Welt nicht mehr. „Schaltkreise schrumpfen immer weiter und gehen in Richtung einzelner Atome und Moleküle“, so Fabian Pauly. Die Forschung in der Nanoelektronik ist darum von besonderer Relevanz. In der jetzt erschienenen Arbeit wurden die kleinstmöglichen Schaltkreise studiert. Elektroden werden hier durch atomare oder molekulare „Drähte“ verbunden, die nur aus einem einzelnen Atom oder Molekül bestehen.

Die Wissenschaftler konnten zeigen, wie sich Wärme im atomaren Bereich entwickelt und wie sich diese Wärmeentwicklung vom Prozess im makroskopischen Bereich unterscheidet. Wenn in der makroskopischen Welt Ladungen durch einen homogenen Draht fließen, erhitzt sich das System gleichmäßig, dem jouleschen Gesetz folgend, proportional zum Widerstand und dem Quadrat der Stromstärke. Im Gegensatz dazu in der Nanoelektronik: Besteht der „Draht“ lediglich aus einem kurzen Molekül, das zwei Elektroden verbindet, entwickelt sich die Temperatur in beiden Elektroden typischerweise unterschiedlich, während sich der molekulare Draht nicht erwärmt. „Letztendlich verstehen wir jetzt den Zusammenhang zwischen elektronischen Eigenschaften und der Erwärmung“, so Fabian Pauly.

Wie lässt sich die Wärmeentwicklung beeinflussen? In welcher Elektrode die Erwärmung größer ist, hängt davon ab, ob ein sogenannter Elektronen- oder Lochtransport vorliegt. Damit konnte erstmals die Landauer-Büttiker-Theorie der Wärmedissipation experimentell bestätigt werden, eine mikroskopische Theorie aus der Quantenmechanik. „Die Vorhersagen der Theorie stimmen überein mit den Ergebnissen der Experimente“, so Fabian Pauly zusammenfassend. Fabian Pauly hat als theoretischer Physiker so genannte ab-initio-Berechnungen des Ladungstransports auf Basis der Dichtefunktionaltheorie durchgeführt, die die Experimente in einer parameterfreien Theorie erklären.

Das amerikanische Team an der University of Michigan war als erste Experimentalgruppe in der Lage, mithilfe neuartiger Rastertunnelmikroskopie-Methoden minimale Temperaturunterschiede im Millikelvin-Bereich zwischen den Elektroden molekularer Kontakte zu messen. Dieser Durchbruch ermöglichte es erst, mit den theoretischen Vorhersagen zu vergleichen und festzustellen, ob die Erwärmung stärker in der linken oder in der rechten Elektrode stattfindet.

Fabian Pauly arbeitet seit dem Wintersemester 2012/2013 als Juniorprofessor im Fachbereich Physik der Universität Konstanz. Zuvor war er ein Jahr lang als Gastwissenschaftler am Lawrence Berkeley National Laboratory, USA, tätig und davor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als Nachwuchsgruppenleiter und Forschungsassistent.


Originalveröffentlichung:
W. Lee, K. Kim, W. Jeong, L. A. Zotti, F. Pauly, J. C. Cuevas & P. Reddy, Heat dissipation in atomic-scale junctions, Nature 498, 209–212 (2013); doi:10.1038/nature12183