Gegen vorschnelle Annahmen
Die Konstanzer Juristin Dr. Doris Forster erhält für ihren Rechtsvergleich zwischen dem antiken jüdischen und dem römischen Recht zur Vertragsgerechtigkeit den Preis des Deutschen Rechtshistorikertags
Die sogenannte laesio enormis stellt ein Dauerthema der Privatrechtsgeschichte dar. Bis heute wird sie innerhalb Europas unterschiedlich geregelt. Bei diesem Recht auf Aufhebung oder Anpassung von Verträgen aufgrund einer „objektiven Äquivalenzstörung“ geht es im Prinzip um Vertragsgerechtigkeit und die Frage, was ein „gerechter“ Kaufpreis ist. Die Konstanzer Juristin Dr. Doris Forster hat dazu in ihrer Dissertation einen Rechtsvergleich zwischen dem antiken jüdischen und dem römischen Recht angestellt. Dabei hinterfragt sie auch die rezeptionstheoretischen Annahmen zur gegenseitigen Beeinflussung von Rechtsordnungen. Für diese „besondere Leistung innerhalb der rechtshistorischen Forschung im deutschsprachigen Raum“ hat sie den mit 6.000 Euro dotierten Preis des 42. Deutschen Rechtshistorikertages erhalten, der vom 16. bis 22. September 2018 an der Universität Trier stattfand.
Im klassischen römischen Recht stand es völlig im Belieben der Vertragsparteien, einen Preis für eine Ware zu vereinbaren. Eine spätere Ausnahme bildete der Landverkauf: Für den Fall, dass der Verkauf nicht einmal die Hälfte des üblichen Marktpreises brachte, griff das Recht korrigierend ein. Dennoch gab sich das römische Recht im Vergleich zum jüdischen liberal, das ungefähr zur gleichen Zeit um 200 n.Chr. in der Mischna verschriftlicht wurde. Dort sind strenge Preisgrenzen festgehalten. Lediglich ein Sechstel durfte der Kaufpreis vom üblichen Marktwert abweichen. Das galt zum Schutz von Käufern, aber auch Verkäufern und grundsätzlich für sämtliche Waren – mit der zentralen Ausnahme von Landverkäufen. Die jüdische „Ona’ah“ stand somit im krassen Gegensatz zur römischen laesio enormis.
Doris Forster hat in ihrer Dissertation „Ona’ah und laesio enormis. Preisgrenzen im talmudischen und römischen Kaufrecht“, die im Mai 2018 im Verlag C.H.Beck veröffentlicht wurde, diesen Gegensatz zwischen der Mischna, dem palästinischen und talmudischen Talmud und weiteren jüdischen Rechtsquellen einerseits und dem römischen Recht andererseits herausgearbeitet. „Mut und wissenschaftliche Redlichkeit“ attestierte ihr dafür die Zürcher Juristin Prof. Dr. Ulrike Babusiaux, die bei der Preisverleihung die Laudatio auf Doris Forster hielt. Die Preisträgerin stelle sich damit gegen eine Tendenz in der Rechtsgeschichte, „Übernahmen und gegenseitige Beeinflussungen bereitwillig anzunehmen“. Zumal entsprechende Detailuntersuchungen zum jüdischen und römischen Recht bislang gefehlt hätten. Doris Forster habe sie kompetent und genau bearbeitet zusammengeführt. Darüber hinaus biete die Arbeit „eine Vielzahl von wertvollen Einzeleinsichten“, die neues Licht auf viele Fragen werfen.
Gerade die Rechtsvergleichung zwischen nationalen Entwicklungen berufe sich gern auf historische Vorbilder und Kontinuitäten. „Frau Forster lehrt uns, dass die vorschnelle Annahme von Übernahmen und gegenseitigen Beeinflussungen mit Skepsis zu betrachten ist“, so die Laudatorin. Gleichzeitig führe die Preisträgerin vor Augen, dass sich die historischen Rechtsvergleiche mit dem römischen Recht lohnen und das antike jüdische Recht noch viel Stoff für Vergleiche zu bieten habe.
Seit 2008 vergibt der Deutsche Rechtshistorikertag einen Preis für hervorragende rechtshistorische Arbeiten jüngerer Fachkolleginnen und -kollegen. Die Finanzierung der Preise erfolgt von Verlagen für rechtshistorische Literatur.
Faktenübersicht:
- Preis des 42. Deutschen Rechtshistorikertags für die Konstanzer Juristin Dr. Doris Forster
- Dotiert mit 6000 Euro
- Auszeichnung für ihre Dissertation „Ona’ah und laesio enormis. Preisgrenzen im talmudischen und römischen Kaufrecht“
- Erschienen im Mai 2018 im Verlag C.H.Beck.