Forschung gegen eine humanitäre Katastrophe
Zwei Konstanzer Psychologen erhielten den August Forel-Preis für ihre Untersuchung des Zusammenhangs der Droge Khat, Krieg und Trauma am Horn von Afrika
Die Konstanzer Klinischen Psychologen Dr. Michael Odenwald und Dr. Maggie Schauer sind Träger des August Forel-Preises 2015. Sie wurden in Zürich (Schweiz) für ihre Forschung im Bereich Sucht ausgezeichnet. Sie haben in Somalia, aber auch bei somalischen Flüchtlingen in Uganda und Kenia Zusammenhänge zwischen traumatischen Erfahrungen, Posttraumatischer Belastungsstörung, Drogenkonsum und Psychosen detailliert erfasst und in ein theoretisches Modell eingebettet. Ebenfalls mit dem August Forel-Preis wurde Dr. Marcus Herdener von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ausgezeichnet. Insgesamt wurden 10.000 Schweizer Franken als Preisgeld vergeben.
„Glücklicherweise gibt es innovative Wissenschaftler, die sich abseits von Forschungsmainstreams Themen angenommen haben, die gesellschaftspolitisch relevant sind, und eine Pionierarbeit geleistet haben, von der wir Suchtfachpersonen profitieren können. In dem Kontext ist die Forschungstätigkeit von Michael Odenwald und Maggie Schauer herausragend“, sagte Dr. Anne Keller, Chefärztin der Forel Klinik in Ellikon an der Thur/Zürich (Schweiz). Sie bezog sich damit nicht nur auf den Khat-Konsum im Nahen Osten und Nordafrika, sondern auch auf die Therapie traumatisierter Migranten als besondere Herausforderung für hiesige Therapeutinnen und Therapeuten.
Maggie Schauer wurde vor 15 Jahren von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) nach Somalia gerufen. Den Anlass lieferten vermehrt auftretende Psychose-ähnliche Verhaltensweisen insbesondere unter der jungen männlichen Bevölkerung. Michael Odenwald und sie untersuchten daraufhin die Wirkung von Khat-Konsum in Somalia. Die Wirkstoffe der Khat-Blätter entfalten im Gehirn eine amphetaminartige Wirkung. Die beiden Konstanzer Psychologen haben die humanitäre Katastrophe, die in der Region durch Krieg und Khat-Konsum gekennzeichnet sind, erstmals und über Jahre hinweg wissenschaftlich untersucht.
Die Khat-induzierte Psychose hat Michael Odenwald in seiner Dissertation mit quantitativen Methoden beschrieben. Angeleitet und betreut wurde seine Forschung von den Konstanzer Klinischen Psychologen Prof. Dr. Thomas Elbert und Prof. Dr. Brigitte Rockstroh, deren Forschung international wegweisend ist. Ihre Erkenntnisse zu Khat-Konsum und Trauma tragen zum besseren Verständnis dessen bei, wie Drogenkonsum die Entstehung von Psychosen bedingt. Schließlich entwickelten die beiden Preisträger Interventionen, um Traumafolgestörungen bei Khat-induzierten Psychosen zu behandeln, gerade in den Ressourcen-armen Regionen am Horn von Afrika.
Michael Odenwald ist Psychologischer Leiter der Forschungsstation und Leiter der Psychotherapieambulanz für Forschung und Lehre im Bereich der Klinischen Psychologie der Universität Konstanz. Als Khat-Experte beriet er in den vergangenen Jahren die Weltgesundheitsorganisation, die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht und eine Expertenkommission der Britischen Regierung. Er ist Sprecher eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts zur Entwicklung und Evaluierung von angepassten Methoden zur Suchtbehandlung in den somalischen Flüchtlingslagern Kenias. Die Ergebnisse seiner mehr als zehn Jahre dauernden Forschungstätigkeiten zu Khat und Trauma sind in einer Reihe von renommierten Journalen erschienen, darunter auch in open access-Journalen wie PLoS Medicine und BMC Medicine.
Maggie Schauer leitet das „Kompetenzzentrum Psychotraumatologie“ an der Universität Konstanz. Sie arbeitet in Therapie- und Hilfsprojekten in Kriegs- und Krisengebieten, in Flüchtlingslagern nach humanitären- und Naturkatastrophen, in Demobilisierungsprojekten für Kindersoldaten und mit Überlebenden von Folter und Menschenrechtsverletzungen. Sie hat vivo international, eine Nichtregierungs-Organisation zur Prävention und Behandlung von traumatischem Stress, mitgegründet (www.vivo.org).
Mit dem Forel-Preis prämiert der Verein Forel Klinik und die Zürcher Kantonalbank alle zwei Jahre herausragende und innovative Projekte auf dem Gebiet der substanzgebundenen Abhängigkeiten, insbesondere Alkohol-, Medikamenten- und Tabakabhängigkeit.