Bildungspolitik als Parteipolitik

Prof. Dr. Marius Busemeyer erhält eine der höchsten Auszeichnungen in den vergleichenden Sozialwissenschaften 

Prof. Dr. Marius Busemeyer erhält den Stein Rokkan Prize for Comparative Social Science Research. Ausgezeichnet wird er für sein Buch “Skills and Inequality: Partisan Politics and the Political Economy of Education Reforms in Western Welfare States”. Der Stein Rokkan-Preis gehört zu den höchsten Auszeichnungen für Monografien im Bereich der vergleichenden Sozialwissenschaften. Mit “Skills and Inequality“ liefere der Konstanzer Politikwissenschaftler einen ausgesprochen substantiellen und originellen Beitrag dazu, heißt es in der Laudatio. Die Untersuchung beschreibt die entscheidende Rolle der Bildungs- und Ausbildungssysteme für die Entwicklung der westeuropäischen Wohlfahrtssysteme in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Marius Busemeyer hat als Fellow des Kulturwissenschaftlichen Kollegs Konstanz, einer Einrichtung des Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz, an dem Buch gearbeitet. 


Prof. Dr. Marius Busemeyer

Die 2014 im Verlag Cambridge University Press erschienene Monografie erforscht die politischen und historischen Ursprünge der Bildungspolitik in verschiedenen westeuropäischen Ländern in der Nachkriegszeit. Schwerpunktmäßig werden die Systeme in England, Deutschland und Schweden verglichen, ergänzt durch statistische Analysen, die für alle westlichen Demokratien relevant sind. „Das Hauptergebnis lautet, dass Parteipolitik in der Bildungspolitik eine wichtige Rolle gespielt hat“, fasst Marius Busemeyer zusammen, der seit 2011 Professor für Politikwissenschaft, insbesondere Policy-Analyse und Politische Theorie, an der Universität Konstanz ist. Er macht anhand der drei Länder drei verschiedene Modelle aus: Das sozialdemokratische Modell in Schweden, das christdemokratische Modell in Deutschland und das konservative Modell in Großbritannien. 

Die beiden ersteren Modelle unterscheiden sich vom konservativen Modell vor allem durch ein gut ausgebautes Berufsbildungswesen, das sowohl die Interessen der Arbeitgeber wie die der Arbeitnehmer einbezieht. Die unterschiedlichen Systeme haben letztlich auch Auswirkungen auf die Einkommensverteilung. „Die Berufsbildung spielt dabei eine große Rolle. Länder mit einer ausgebauten Berufsausbildung haben eine egalitärere Einkommensverteilung als Länder ohne ein solches System“, sagt Busemeyer.

Damit einher geht die institutionelle Ausgestaltung des Wirtschaftssystems. In den sogenannten koordinierten Marktwirtschaften Kontinentaleuropas und Skandinaviens sind übergreifende Kooperationen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern festzustellen. In den liberalen Marktwirtschaften der angelsächsischen Länder gibt es hingegen kaum klassenübergreifende Kompromisse, was den Aufbau stabiler Ausbildungsstrukturen erschwert.

Schließlich untersucht Marius Busemeyer in “Skills and Inequality“ auch die öffentliche Meinung zur Bildungspolitik in den westlichen Demokratien und wie Institutionen diese beeinflussen. So gewöhnen sich Menschen an gewisse Strukturen und unterstützen diese in der Regel. Ab einem gewissen Punkt kann die Zufriedenheit jedoch umschlagen. Dann verlangen die Bürger Politikwandel statt Stabilität.

Der Stein Rokkan Prize for Comparative Social Science Research wird jährlich gemeinsam von den beiden wissenschaftlichen Gesellschaften European Consortium für Political Research (ECPR) und International Social Science Council (ISSC) verliehen. Der norwegische Soziologe Stein Rokkan (1921 – 1979) war einer der Pioniere der vergleichenden politik- und sozialwissenschaftlichen Forschung und stand beiden Vereinigungen als Präsident vor.