Wunsch nach aktiveren Institutionen
Zwischenergebnisse einer Studie an der Universität Konstanz zum Vertrauen der Menschen in den Staat und in die Mitmenschen im ersten Jahr der Corona-Krise.
Spätestens seit Mitte März 2020 hat die Covid-19-Pandemie einschneidende Auswirkungen auf den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Alltag in Deutschland. Juniorprofessor Dr. Steffen Eckhard und Doktorandin Alexa Lenz vom Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz führten zwischen März 2020 und März 2021 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zu den Einstellungen zum Krisenmanagement des Staates und deren Wirkung auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch. Die wichtigsten Zwischenergebnisse lauten: Durch die Corona-Krise ist es während des ersten Jahrs zu keinem nennenswerten Vertrauensverlust zwischen Staat und Bevölkerung gekommen, das Krisenmanagement wird für diesen Zeitraum allerdings als zu zurückhaltend bewertet. Gleichzeitig wurde auch innerhalb der Gesellschaft weniger Solidarität wahrgenommen. Die genauen Befunde sind im Open Access-Portal KOPS der Universität Konstanz nachzulesen. Im Videointerview erläutern die beiden Forschenden ihre Befunde.
Krisen gelten generell als umwälzende Ereignisse, die das Vertrauen der Menschen in den Staat erschüttern können. Ihreerfolgreiche Bewältigung baut hingegen das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit öffentlicher Institutionen aus. Die repräsentative Bevölkerungsumfrage, die in vier Runden mit 3.075 Personen durchgeführt wurde, kommt zum Ergebnis, dass sich dieses grundlegende Vertrauen der Menschen in den Staat im ersten Jahr der Krise kaum verändert hat.
Zu wenige Maßnahmen, zu zögerliches Krisenmanagement
Dennoch bewertet eine Mehrheit der Befragten die Maßnahmen zur Krisenbewältigung im untersuchten Zeitraum als nicht ausreichend. Auch von den bürgernahen Institutionen wünschen sich die Menschen eine deutlich aktivere Rolle. Im März 2021 stimmten mehr als 60 Prozent der befragten Personen der Aussage zu, dass die Kommunen zu zögerlich agieren. Als Beispiel wurde der Aufbau der Testinfrastruktur im Winter 2020/2021 genannt. Für die Mehrheit der Bevölkerung hat der Staat die Corona-Pandemie aber bis März 2021 alles in allem zufriedenstellend gemeistert, wobei die bevorstehende Welle im Winter 2021/2022 diese Zwischenbewertung durchaus noch trüben kann. „Anders als im ersten Jahr der Pandemie kommt die neue Welle nicht so unerwartet, und die Frustration in der Bevölkerung wächst“, stellt Steffen Eckhard fest.
Eine Ausnahme bildet auch bisher schon eine kleine Minderheit an den äußeren Rändern des politischen Spektrums. Dazu Steffen Eckhard: „Die Randbereiche auf der ganz rechten und ganz linken Seite wurden auch in den Medien sehr laut gehört, das hat das Bild etwas verzerrt. Hingegen ist die Einstellung bei den 80 bis 90 Prozent, die in der Mitte der Gesellschaft stehen, gegenüber dem Handeln des Staates in dieser schwierigen Situation in dem von uns untersuchten Jahr stabil positiv geblieben.“
Solidarität hat der Wahrnehmung nach nachgelassen
Auch das individuelle Grundvertrauen der Befragten in ihre Mitmenschen ist in der Krise relativ konstant geblieben, während der Wahrnehmung nach die Solidarität in der Krise abnahm. Gerade hier zeigten sich auch Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Gruppen: Menschen über 60 Jahre erlebten die Gesellschaft als solidarisch, Eltern von kleinen Kindern nahmen etwas weniger Solidarität wahr.
Weniger gesellschaftlicher Zusammenhalt insgesamt
Mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt denken nur 20 Prozent der Befragten, dass Deutschland in einer Krisensituation stark zusammenhält, 34 Prozent erwarten keinen Zusammenhalt. „Zu den Erklärungsfaktoren dafür muss weiter geforscht werden. Vermuten lassen sich aber schon jetzt Faktoren wie die Affäre um die Maskenbeschaffung, wie die Querdenker-Bewegung und die Verschärfung der Vermögensungleichheit während der Pandemie“, so Alexa Lenz.
Steffen Eckhard fasst für die Zukunft zusammen: „Die Menschen wünschen sich ein aktiveres Krisenmanagement vor Ort. Und es sind neue Lösungen für den öffentlichen Diskurs notwendig, in dem eine sehr laute Minderheit nicht die Meinung der schweigenden Mehrheit übertönt.“
Verbundprojekt „Entstehung und gesellschaftliche Wirkung hybrider Organisationen im lokalen Krisenmanagement“
Die Bevölkerungsbefragung von Steffen Eckhard und Alexa Lenz wurde im Rahmen des Verbundprojektes „Entstehung und gesellschaftliche Wirkung hybrider Organisationen im lokalen Krisenmanagement“ (HybOrg) an der Universität Konstanz durchgeführt. Ziel des Projektes, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, ist es zu untersuchen, wie deutsche Verwaltungsinstitutionen auf und unter der Landkreisebene Krisenmanagement betreiben und wie sie dabei zum Aufbau von brückenbildendem Sozialkapital beitragen können.
Faktenübersicht:
- Alexa Lenz, Steffen Eckhard, Klara Obermaier & Pauline Hoffmann (2021): Wie nimmt die Bevölkerung das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie wahr? Repräsentative Bevölkerungsbefragung zur öffentlichen Wahrnehmung in der Corona-Pandemie. Universität Konstanz, KOPS: bit.ly/Covid-19_report
- Studie am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz untersucht die öffentliche Wahrnehmung staatlichen Handelns im ersten Jahr der Corona-Krise sowie die Solidarität der Menschen untereinander
- Ergebnis: Kein nennenswerter Vertrauensverlust zwischen Staat und Bevölkerung durch die Corona-Krise im Zeitraum März 2020 bis März 2021 – Das Krisenmanagement wird allerdings als zu zurückhaltend bewertet – Innerhalb der Gesellschaft sinkt die wahrgenommene Solidarität
- Studie im Rahmen des Verbundprojektes „Entstehung und gesellschaftliche Wirkung hybrider Organisationen im lokalen Krisenmanagement“ (HybOrg) an der Universität Konstanz
- Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).