Oligomere Ferrocen-Ringe synthetisiert und charakterisiert
Grundlagenforschung unter Beteiligung Konstanzer Chemiker mit Blickrichtung Molekularelektronik
Zyklische Oligomere (ringförmige Moleküle, die aus mehreren gleichen oder strukturell ähnlichen Einheiten aufgebaut sind), die ein durchgängig konjugiertes Gesamtsystem ausbilden, gelten als höchst interessante Stoffklasse im Nanobereich und auch für die Nanoelektronik. Bisher sind sie jedoch vergleichsweise wenig untersucht. Eine Arbeitsgruppe des Imperial College London hat nun erstmals Oligomere synthetisiert und analysiert, die aus mehr als drei direkt miteinander verknüpften Ferrocen-Ringen bestehen und in unterschiedlichen Ladungszuständen existieren können. Mit Hilfe der Arbeitsgruppe des Konstanzer Chemikers Prof. Dr. Rainer Winter konnte nachgewiesen werden, dass in diesen Oligomeren die Elektronendichte gleichmäßig über das gesamte System verteilt ist, die Elektronen also nicht in einem bestimmten Teil des Moleküls lokalisiert sind. Damit verhalten sie sich wie eine Leiterschleife. Diese Eigenschaften sind für die Molekularelektronik interessant, wo es darum geht, makroskopische Bauteile in ihrer Funktion durch Moleküle zu ersetzen. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe von Nature Chemistry online publiziert (DOI: 10.1038/NCHEM.2553).
Der Arbeitsgruppe vom Imperial College London (Michael S. Inkpen, Andrew White, Nicholas J. Long und Tim Albrecht) war es erstmals gelungen, zyklische Oligomere aus mehr als drei Ferrocen-Ringen zu synthetisieren und zu charakterisieren. Wegen ihrer Expertise in Spektroelektrochemie wurden die Konstanzer Chemiker angefragt, da aus den elektrochemischen Daten abgeleitet werden konnte, dass sich die zyklischen Oligomere nach dem Aufladen wie miniaturisierte Leiterschleifen verhalten. Es wurde angenommen, dass sich die Ladung auf der für den Elektronenaustausch mit der Umgebung relevanten Zeitskala gleichmäßig über den gesamten Ring verteilt, wenn man die Oligomere sukzessive auflädt, indem man Elektronen entzieht. Den Beweis dafür erbrachten nun die Konstanzer Chemiker um Prof. Dr. Rainer Winter auf dem Weg der Spektroskopie. Wenn eine solche Situation auftritt, ist im nahen Infrarot eine spezifische spektroskopische Signatur zu sehen, ein Anwachsen von Absorptionsbanden. „Trotz der wirklich winzigen Materialmengen, die wir erhalten haben – wir haben den ganzen Weltvorrat von 2 mg in die Hand bekommen – ist es uns gelungen, diese Banden tatsächlich zu identifizieren und damit das Postulat der Londoner Kollegen nachhaltig zu stützen“, sagt Rainer Winter.
Ferrocen selbst, eine metallorganische Verbindung mit aromatischen, fünfgliedrigen Ringsystemen und einem Eisenatom im Zentrum, wurde vor 65 Jahren entdeckt und steht am Beginn der modernen metallorganischen Chemie. Schon dieses Molekül hat in der anorganischen wie der organischen Chemie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Anfang an fasziniert, und es erforderte völlig neue Bindungskonzepte, um die Elektronenstruktur dieser Verbindung zu verstehen. Die neutrale Verbindung ist elektrisch isolierend, jedoch ein sehr starker Elektronendonor (Reduktionsmittel) und wird in seinem oxidierten Zustand ein ziemlich starker Elektronenakzeptor. Die Eigenschaft, elektrisch leitend zu sein, wird also erst durch Oxidation induziert. Infolge der Oxidation (Elektronenabgabe) ändern sich weitere Eigenschaften und können dabei geschaltet werden. Weil bei der Oxidation ein ungepaartes Elektron entsteht, tritt beispielsweise Paramagnetismus auf. Ferner ändern sich auch die induzierten Elektronenübergänge und damit die Farbe. Viele der Eigenschaften von Ferrocen-haltigen Materialien beruhen auf den erwähnten Donor-Eigenschaften des Ferrocens. Häufig wird Ferrocen mit anderen Elektronendonoren oder -akzeptoren über Brücken, die zu hoher Ladungsdelokalisation befähigt sind (konjugierte π-Systeme), verknüpft. In solchen Systemen lassen sich die Richtung des Ladungstransfers und optische Nichtlinearitäten, die man beispielsweise zur Frequenzvervielfachung von Laserlicht nutzen kann, reversibel schalten. Völlig neu sind die zyklischen Oligomere, bei denen mehr als drei Ferrocen-Einheiten direkt miteinander verbunden sind und die erstmals ein systematisches Studium der Wechselwirkungen zwischen mehreren Ferrocenen in zyklischen Strukturen ermöglichten. „Es ist Pionierarbeit gewesen, solche Verbindungen synthetisieren, isolieren und untersuchen zu können“, sagt Rainer Winter in Anerkennung der Leistung der Londoner Arbeitsgruppe.
Originalpublikation:
Michael S. Inkpen, Stefan Scheer, Michael Linseis, Andrew J.P. White, Rainer F. Winter, Tim Albrecht and Nicholas J. Long: Oligomeric ferrocene rings
Online publiziert in Nature Chemistry, DOI: 10.1038/NCHEM.2553.