Die Oberstadt von Athen
Eine Tagung an der Universität Konstanz nimmt am Beispiel der Athener Akropolis den Zusammenhang von Bauen und Identität in den Blick.
Die meisten antiken griechischen Städte hatten, soweit es die Topographie auch nur irgendwie zuließ, eine „Oberstadt“ – eine „Akropolis“. Die Tagung „Die Athener Akropolis und die Stadt“, die vom 13. bis 15 Mai 2016 an der Universität Konstanz stattfindet, nimmt in einer Begegnung griechischer und deutscher Forscherinnen und Forscher die identitären Aspekte der Beziehung zwischen der Stadt Athen und seiner Akropolis über die Zeiten hinweg in den Blick.
„Identität“ und „Bauen“ in dieser Konstellation zu betrachten hat seine zwingende Logik: Zum einen ist nirgendwo sonst ein Bauensemble so bewusst und über so lange Zeit hinweg im Sinne einer politischen Identität inszeniert worden wie in Athen; zum anderen ist die deutsch-griechische Perspektive auf dieses Thema bis in die jüngere Vergangenheit mehr als ein gewöhnliche wissenschaftliche Fingerübung. Der Blick auf die Athener Akropolis aus Griechenland und Deutschland hatte vielmehr seine jeweils eigene ideologische Dynamik.
Die Bauten, die die Machthaber beziehungsweise die Repräsentanten der Stadtgemeinde auf der Akropolis errichteten, waren von Anfang an identitäre Aussagen, die auf die Stadtgemeinde insgesamt gerichtet beziehungsweise über diese hinaus (als Abbildung der Stadtgemeinde) gesendet wurden. Das galt für die Repräsentation der Tyrannis des 6. Jahrhunderts v. Chr. in gleichem Maße wie für die Repräsentation der Demokratie des 5. Jahrhunderts gegenüber einer Welt, die man zu beherrschen versuchte. Die Investitionen des 4. Jahrhunderts und des frühen Hellenismus produzierten einen Imperativ für die Wiedergewinnung früherer politischer Macht; in den Jahrhunderten danach wurden Akropolis und Stadt immer mehr zum Schaukasten für aufsehenerregende Stiftungen, die es Athen erlaubten, sich als kulturelle Potenz schlechthin zu inszenieren.
In diesem Sinne wurden die Stadt und ihre Burg auch für die Träger der imperialen Macht Roms ein lebendiger Referenzpunkt bis weit in die Spätantike hinein. Die identitäre Qualität der Akropolis blieb nicht auf die Antike beschränkt. Die europäischen Debatten um die legitimen Erben der antiken Kultur seit dem 18. Jahrhundert kristallisierten sich ebenso um die Akropolis wie die Neuerfindung Griechenlands im 19. Jahrhundert. Der Bezug des modernen griechischen Staates zu den klassischen Bauten ist auch heute noch, 180 Jahre nach den Plänen Schinkels zum Umbau der Akropolis, dynamisch – wie sich an den, nach jahrzehntelangen Anstrengungen jüngst abgeschlossenen Restaurationen, Museumsbauten und Raummodellierungen in der griechischen Hauptstadt zeigt.