Genderkompetenz vermitteln
Hier werden Methoden vorgestellt, die sich speziell zur Vermittlung von Genderkompetenz eignen. Sie ermöglichen die gezielte Auseinandersetzung mit Gender in einer Lehrveranstaltung. Dies bietet sich an in Fächern mit einem sehr hohen Anteil Studierender des einen Geschlechts, z.B. Psychologie, Informatik, Physik sowie Literatur- und Sprachwissenschaften. Je nach Fachbereich, Inhalt oder Lehrziel ist dies jedoch auch dann sinnvoll, wenn beispielsweise in der Veranstaltung
- auf Gender bezogene Fragestellungen und Inhalte integriert,
- Studierende für Geschlechterungleichheiten in ihrem Fachbereich sensibilisiert,
- Geschlechterstereotype hinterfragt und thematisiert werden sollen.
Genderkompetenz wird hier als Reflexionsfähigkeit hinsichtlich Geschlechterverhältnissen und den Herstellungsmechanismen von Geschlecht verstanden (Budde & Venth 2010: 22ff). Von den Lehrenden wird diese Reflexionsfähigkeit in besonderem Masse erwartet. So besteht im pädagogischen Handeln die Gefahr einer erneuten Stereotypisierung bzw. Festschreibung von Unterschieden. Dies lässt sich durch einen reflexiven Zugang der Lehrenden vermeiden, d.h. indem die eigene Praxis immer wieder dahingehend hinterfragt wird, inwiefern sie zur Produktion bzw. Reproduktion von Ungleichheiten beiträgt.
Methoden zur Vermittlung von Genderkompetenz
Erwartungsabfrage mit Perspektivwechsel
Kurzbeschreibung:
Studierende notieren auf Moderationskarten ihre gegenseitig unterstellten Erwartungen. Die Übung dient der Reflexion von Geschlechterbildern und Stereotypen.
Vorgehen:
- Studierende ordnen sich nach Geschlecht einer Gruppe zu und bekommen Moderationskarten ausgeteilt (pro Gruppe Karten einer Farbe).
- Jedes Gruppenmitglied schreibt auf seine Karte möglichst nur ein Stichwort zu einer Frage, die die Mitglieder der anderen Gruppe(n) betreffen.
- Die Ergebnisse werden vorgestellt (Pinnwand) und ausgewertet (s. Bsp.). Anschließend sollen die Ergebnisse ebenso wie die Gruppenarbeit reflektiert werden.
- Dauer ca. 30 Min.
- Material: Moderationskarten, Stifte, Pinnwand
Beispiel:
Kartenabfrage:
- "Mit welchen Erwartungen, glauben Sie, kommen die Mitglieder der anderen Gruppe(n) zu dieser Workshop?"
Auswertung:
- "Inwiefern gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Geschlechtern?"
- "Wie erklären Sie sich die Ergebnisse?"
- "Inwiefern fühlen Sie sich in Ihrer Geschlechtszugehörigkeit angemessen beschrieben?"
- "Was fehlt Ihnen persönlich, wenn Sie an Ihre eigenen Erwartungen denken?"
Didaktische Funktionen:
Reflektion von Stereotypen, Perspektivenwechse, Aufbrechen von Geschlechtsrollen
Quelle:
Blickhäuser, Angelika & Bargen, Henning v. (Hg.). (2006). Mehr Qualität durch Gender-Kompetenz. Ein Wegweiser für Training und Beratung im Gender Mainstreaming. Königstein/Ts.: Helmer
Geschlechter-Bilder
Kurzbeschreibung:
Die Studierenden tragen Bilder und Texte zum Thema Geschlecht zusammen und reflektieren diese anschließend.
Vorgehen:
- Die Studierenden sammeln Text- und Bildmaterial zum Thema Geschlecht.
- Das Material wird anschließend visualisiert, indem es auf den verschiedenen Postern platziert wird.
- Anschließend erfolgt die Reflexion anhand der Frage, was mit dem Material veranschaulicht werden kann.
- Dauer: ca. 20 Min.
- Material: Flipchart, Stifte, Zeitungen, Zeitschriften bzw. anderes Medienmaterial zur Verfügung stellen
Didaktische Funktionen:
Reflexion geschlechterstereotyper Bilder; Sensibilisierung für Geschlechterrollen
Geschlechtshomogene Arbeitsgruppen
Kurzbeschreibung:
Es werden Arbeitsgruppen nach Geschlecht getrennt gebildet. Die Gruppenarbeit wird anschließend ausgewertet und reflektiert.
Vorgehen:
- Es werden Arbeitsgruppen nach Geschlecht getrennt gebildet. Diese bearbeiten bestimmte Aufträge (s. Bsp.).
- Die Ergebnisse werden schriftlich festgehalten (Karteikarten oder Poster).
- Anschließend werden die Ergebnisse im Plenum visualisiert und diskutiert im Hinblick auf bestimmte Fragen (s. Bsp.).
- Zuletzt sollte die Gruppenarbeit bzw. die Einteilung nach Geschlecht reflektiert werden.
- Dauer: Mind. 60-90 Min. einplanen
- Material: Arbeitsaufträge, Moderationskarten, Pinnwand, Poster
Beispiel:
Arbeitsauftrag:
- Was motiviert Sie in Ihrem Studium?
- Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse aus dem Text xy?
Auswertung:
- Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ergebnisse innerhalb der und zwischen den Gruppen
- Sinn und Nutzen der Gruppeneinteilung
- Hinweise auf Geschlechterrollen?
Didaktische Funktionen:
Reflexionsfähigkeit fördern, Auseinandersetzung mit Rollenbildern und Stereotypen
Kontrollierter Dialog
Kurzbeschreibung:
In Dreiergruppen werden die Studierenden für ihr Kommunikationsverhalten sensibilisiert, indem sie abwechselnd sprechen, zuhören oder beobachten.
Vorgehen:
- Es wird ein Thema vorgegeben. Gruppen aus je drei Personen werden gebildet. In den Gruppen werden folgende Rollen verteilt: Sprechen, Zuhören, Beobachten.
- Die Sprechenden formulieren eine Aussage zu dem Thema.
- Die Zuhörenden geben mit eigenen Worten wieder, was sie von der Aussage verstanden haben, eigene Kommentare werden vermieden.
- Die beobachtenden Personen werden um Rückmeldung gebeten: Wie gut war die Wiedergabe durch die Zuhörenden?
- Anschließend geben die Sprechenden eine Rückmeldung, wie sie sich verstanden gefühlt haben und ob sich die Wiedergabe mit der eigenen Aussage deckt. Wenn Aussage und Wiedergabe nicht übereinstimmen, versuchen die Zuhörenden erneut die Aussage wiederzugeben.
- Der Durchgang endet, wenn eine Übereinstimmung von Aussage und Wiedergabe erreicht wurde oder nach Ablauf eines Zeitlimits.
- Die Rollenverteilung wird gewechselt, alle Studierenden sollten jede Rolle einmal eingenommen haben.
- Zuletzt wird die Übung im Plenum reflektiert.
- Dauer ca. 1,5 h (Einleitung ca. 20 Min., Durchführung in Kleingruppen ca. 40 Min. für drei Durchgänge, Reflexion im Plenum ca. 30 Min.)
- Material: keins
Beispiel:
Thema:
- "Nehmen Sie Stellung zum All-Gender-Symbol der Universität Konstanz."
Reflexion:
- "Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Rollenwechsel gemacht?"
- "Inwiefern werden Asymmetrien der Kommunikation sichtbar?"
Didaktische Funktionen:
Rollenwechsel, soziale und kommunikative Kompetenz
Rollenspiel
Kurzbeschreibung:
Im Rahmen des Rollenspiels setzen sich die Studierenden mit stereotypisierten Rollensituationen auseinander.
Vorgehen:
- Eine stereotypisierte Situation aus dem Kontext Hochschule wird beschrieben (s. Bsp.). Auf vorbereiteten Rollenkarten werden die Rollen kurz umrissen. Es sollten Rollenkarten für alle Studierenden vorbereitet werden.
- Da es meist mehr Studierende als Rollen gibt, werden Gruppen pro Rolle gebildet, es spielen aber nur ein oder zwei Gruppenmitglieder.
- Die Karten werden verteilt, entweder nach Wunsch oder Zufall. Vor dem Spiel haben die Studierenden Gelegenheit, sich mit der Rolle vertraut zu machen. Es wird festgelegt, wann das Rollenspiel beginnt bzw. endet (Zeit, Ziel o.ä.).
- Das Rollenspiel entwickelt sich frei ohne jegliche Steuerung von außen.
- Das Rollenspiel wird gemäß Festlegung beendet.
- Anschließend wird das Rollenspiel u.a. hinsichtlich Geschlecht reflektiert (s. Bsp.).
- Dauer: 30- 60 Min.
- Material: Text mit Situationsbeschreibung, Rollenkarten, Beobachtungsbögen
Beispiel:
Sprechstunde zur Vorbereitung des Referat:
Fünf Rollen: Eine Lehrperson, zwei Studierende unterschiedlichen Geschlechts, zwei Beobachtende
Auswertung:
- Einzelne Rollenausübung reflektieren
- Handlungsalternativen diskutieren
- Bedeutung des Geschlechts reflektieren
Didaktische Funktionen:
Probehandeln ermöglichen, Reflexionsfähigkeit fördern, Auseinandersetzung mit Geschlechtsrollen
Tandem-Interview
Kurzbeschreibung:
Tandemmitglieder unterschiedlichen Geschlechts interviewen sich gegenseitig und reflektieren die Ergebnisse.
Vorgehen:
- Es werden geschlechtergemischte Tandems (2 Personen) gebildet.
- Die zwei Tandemmitglieder interviewen sich jeweils gegenseitig zu bestimmten Themen (s. Bsp.).
- Die Antworten werden auf Moderationskarten geschrieben (pro Geschlecht eine Farbe).
- Anschließend werden die Antworten im Plenum vorgestellt und getrennt nach Geschlecht aufgehängt.
- Zuletzt werden die Antworten ausgewertet sowie die Zuordnung nach Geschlecht reflektiert (s. Bsp.).
- Dauer: 10 Min. Tandeminterview, 15-20 Min. Auswertung
- Material: Moderationskarten, Stifte, Tafel oder Pinnwand zum Aufhängen
Beispiel:
Interview:
- Alter
- Semesterzahl, Studienfach, Studienschwerpunkt
- Erwartungen bezogen auf die Veranstaltung
- Befürchtungen bezogen auf die Veranstaltung
Auswertung:
- "Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erwartungen und Befürchtungen zwischen den Geschlechtern?"
- "Was hat Sie an den Erwartungen und Befürchtungen des je anderen Geschlechts am meisten überrascht?"
- Wie sinnvoll ist die Zuordnung nach Geschlecht?
Didaktische Funktionen:
Kennenlernen, Sensibilisierung für Geschlechteraspekt, Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen
Quelle:
Blickhäuser, Angelika & Bargen, Henning v. (Hg.). (2006). Mehr Qualität durch Gender-Kompetenz. Ein Wegweiser für Training und Beratung im Gender Mainstreaming. Königstein/Ts.: Helmer