Probenkammer eines REM © Uni KN, Heiko Hofmann & Michael Laumann

Ionisierende Strahlung

Ein paar Grundlagen

Ionisierende Strahlung - was ist das eigentlich?

Häufig wird der Begriff "radioaktive Strahlung" oder einfach "Radioaktivität" als Überbegriff verwendet, wenn das Zeichen auf der rechten Seite irgendwo auftaucht.

Das stimmt nur zum Teil, weil "ionisierende Strahlung" jegliche Strahlung beschriebt, die genug Energie besitzt, um in einem Atom oder sogar Atomkern Prozesse auszulösen. Dabei spielt es keine Rolle, wozu oder wem diese Atome gehören.

Es spielt auch keine Rolle, ob diese Prozesse durch "Strahlung" in Form von elektromagnetischen Wellen (das ist schließlich auch das sichtbare Licht) oder durch "Partikel" (im weitesten Sinne) hervorgerufen werden.

Wichtig ist zunächst also die Energie, die dafür verantwortlich ist, dass sie beim Auftreffen auf Materie Prozesse auslösen kann, die man eventuell nicht kontrollieren kann.

Der Überbegriff "ionisierende Strahlung" bezeichnet demnach alle durch Strahlung (egal welcher Art) ausgelösten Prozesse, die dafür sorgen, dass Elektronen in einem Atom ihren Lieblingsplatz verlassen.

Dieses Energiespektrum ist groß und fängt bereits beim (fast noch) sichtbaren Licht an.


Strahlung, Strahlenschutz und andere Begriffe

Im Strahlenschutz darf man allerdings nicht alles über einen Kamm scheren. Hier spielt es ein entscheidende Rolle, zu wissen, mit welcher Art Strahlung und mit welchen Energien man es zu tun hat.

Zwar können UV-Licht und Laserstrahlung bereits Prozesse im Atom auslösen, aber diese werden nicht im "klassischen" Strahlenschutz behandelt. Dafür gibt es mittlerweile den Laserschutz sowie Vorschriften zum Umgang mit UV Strahlung. Obwohl es beim Laserschutz durchaus Überschneidungen mit der Strahlenschutzverordnung gibt, wenn es sich z.B. um Ultrakurzpulslaser handelt.

Der praktische Strahlenschutz muss immer darauf ausgelegt sein, mit "machbaren" Mitteln einen bestmöglichen Gesundheitsschutz zu erzielen. Ganz im Sinne der Gefährdungsbeurteilung. Es gilt aber auch: Wenn kein Strahlenschutz "machbar" ist, darf nicht mit Strahlung umgegangen werden. Während beim allgemeinen Arbeitsschutz in Einzelfällen eine "verhaltensbezogene Maßnahme" (im sog. STOP-Prinzip) wie z.B. "vorsichtig sein" ausreichen kann, ist dies im Strahlenschutz nicht erlaubt. Man kann Strahlung nicht ausweichen. Strahlenschutz ist immer technisch und organisatorisch. Das "P" im STOP-Prinzip geht zwar auch (ist auch erwünscht), aber niemals alleine für sich! Das ist fundamental wichtig, wenn man den Strahlenschutz organisiert. Deshalb sind die Vorschriften so streng und genau deshalb haben Strahlenschutzbeauftragte eine noch höhere Verantwortung als Sicherheitsingenieure, die auch die persönliche Haftung mit einschließt.

Radioaktive Strahlung und Kernprozesse

Im Strahlenschutz wird grundsätzlich zwischen 2 "Hauptkategorien" unterschieden:

  • Radioaktive Strahlung und
  • "andere Ionisierende Strahlung"

Das bedeutet zunächst nur, dass man radioaktive Strahlung und "alles andere" getrennt voneinander betrachtet, weil unterschiedliche Strahlenschutzmaßnahmen zum Ziel führen. Das eigentliche Ziel hingegen, nämlich die Dosis zu reduzieren, die wir beim Umgang mit ionisierender Strahlung "einsammeln" können, betrachtet wiederum alleine die eingefangene Energie.

Radioaktive Strahlung

Radioaktive Strahlung beinhaltet im Begriff bereits ihren Ursprung, nämlich dass sie irgendwie von alleine entsteht. Das ist auch bereits der Hauptunterschied beispielsweise zu Röntgenstrahlung, die nur dann entsteht, wenn sie absichtlich erzeugt wird, indem man eine Röntgenröhre betreibt. Die Strahlenschutzverordnung verwendet hierbei die Beschreibung "im eingeschalteten Zustand". Radioaktive Stoffe muss man nicht einschalten.

Während jedoch "andere ionisierende Strahlung" fast ausschließlich elektromagnetische Wellen ab einem bestimmten Energiebetrag meint, handelt es sich bei radioaktiver Strahlung um die 3 Hauptstrahlungsarten (es gibt weitere Unterteilungen), nämlich

  • Alphastrahlung
  • Betastrahlung
  • Gammastrahlung

Anmerkung: Es ist nicht die Aufgabe und Ziel dieser Seite, Physikunterricht zu geben. Es ist aber sehr wichtig im Strahlenschutz, zu verstehen, was diese Strahlungsarten "können" und wie man sich und andere davor schützen kann (wenn man die Verantwortung dafür hat).

Ein weiteres wichtiges Unterscheidungskriterium ist, dass die radioaktiven Prozesse immer Kernprozesse sind und sich die Prozesse rund um Röntgenstrahlung et. al. in der Atomhülle abspielen. Wichtig ist aber auch, zu verstehen, dass diese Prozesse "fast" nie alleine auftreten und sich gegenseitig beeinflussen.

Alphazerfall

Beim Alphazerfall wird aus einem Atomkern ein "positiver Heliumkern" abgepalten in Form von 2 Protonen und 2 Neutronen, also ein Heliumatom ohne Elektronenhülle, wenn man so will. Dabei ändert sich die Ordnungszahl und die Massenzahl des Atoms um jeweils 2. Alphastrahlung gilt zwar von außen einwirkend als harmlos, inkorporiert man Alphastrahler, können die angerichteten (Zell-)Schäden verheerend sein und zum qualvollen Tod führen.

Betrachtet man die Massenbilanz vorher und nachher, stellt man fest, dass sie nicht aufgeht. Es fehlt ein kleiner Betrag. Nun kommt Einstein ins Spiel mit der berühmten Formel E = m * c2. Energie ist proportional zur Masse. Die fehlende Masse muss also in Form von Energie "verschwunden" sein (Energie verschwindet aber nicht...). Beim Alphazerfall wird also gleichzeitig auch ein Photon bzw. Gammquant abgegeben.

Auch wenn die Alphateilchen relativ energiearm und träge sind (sie durchdringen nicht einmal ein Blatt Papier), muss man beim Strahlenschutz beide Strahlungsarten berücksichtigen und Inkorporation um jeden Preis verhindern.

Betazerfall

Beim Betazerfall sendet ein Atomkern ein Elektron aus. Das ist ein Kernprozess und nicht etwa ein Elektron aus der Atomhülle! Das bedeutet aber auch, dass sich die Massenzahl nicht ändert, aber wiederum die Ordnungszahl, weil sich die Kernladung ändert! Auch hier wird zusätzlich Gammastrahlung emittiert.

Wir betrachten also schnelle Elektronen, die vom Kern wegfliegen. Sie sind schon relativ hochenergetisch und bringen Energien in der Größenordnung 100 keV bis zu einigen MeV (Megaelektronenvolt) mit - im Gegensatz von Elektronen in einer Röntgenröhre oder im Rasterelektronenmikroskop (Größenordnung keV). Die hierbei erzeugte sekundäre Gammstrahlung hat demnach sehr viel größere Energien als z.B. Röntgenstrahlung. Beide sind elektromagnetische Wellen, aber die Energie ist stark unterschiedlich.

Bei der Betastrahlung ist es daher noch wichtiger, bei der Bestimmung einer geeigneten Abschirmung beide Strahlungsarten zu berücksichtigen. Die schnellen Elektronen stellen sozusagen eine Röntgenröhre dar, die sogenannte Bremsstrahlung erzeugt, also sekundäre, kontinuierliche Röntgenstrahlung, die dann gemeinsam mit der gleichzeitig auftretenden Gammastrahlung wirkt. Die Abschirmung muss also so gewählt und ggf. berechnet werden, dass möglichst wenig sekundäre Bremsstrahlung erzeugt wird. Dann ist die primäre Gammstrahlung zwar immer noch da, aber wesentlich leichter zu berechnen.

Gammazerfall

Aus dem Alpha- und Betazerfall ergibt sich bereits der Ursprung der Gammastrahlung. Sie tritt immer als Begleiterscheinung der beiden anderen Strahlungsarten bei Kernprozessen auf. Die Energie der primären Gammastrahlung hängt dabei von der Zerfallsart ab und von den Eigenschaften der jeweiligen Radioisotope.

Nun stellt sich vielleicht die Frage: Geht das auch umgekehrt? Kann Gammastrahlung Alpha- und Betazerfall auslösen?

Praktisch Nein. Kernladungskräfte sind extrem hoch und die dafür benötigten Energiemengen sind kaum aufzubringen. Eine atomare Kettenreaktion wird auch nicht durch die entstehende Gammastrahlung ausgelöst, sondern durch die Alpha- und Betateilchen, weil die eine Masse haben.

Was hingegen möglich ist, dass Gammastrahlung (und auch niedrigerenergetische Strahlung) durch den Photoeffekt Elektronen in einer Atomehülle auf ein höheres Energieniveau befördern oder ganz aus einer Atomhülle scheludern können. Beim Zurückfallen auf das alte Energieniveau kann diskrete Röntgenstrahlug entstehen und freie Elektronen können in einem elektrischen Feld beschleunigt werden, was wiederum beim erneuten Auftreffen auf Materie Bremsstrahlung erzeugen kann. Wichtig ist jedoch: Bei jedem dieser Schritte geht Energie "verloren". Naja: Energie geht nicht verloren (Energieerhaltungssatz), sie ändert ihren Zustand.

Röntgenstrahlung und andere ionisierende Strahlung

Bei dieser Art von Strahlung geht es ausschließlich

  • um elektromagnetische Strahlung und
  • um Prozesse in der Atomhülle.

Daraus folgt automatisch, dass diese Prozesse einerseits absichtlich ausgelöst werden müssen und andererseits auch, dass man es mit geringeren Energien zu tun hat, als möglicherweise bei Kernprozessen. Das stimmt zwar nicht ganz, aber zumindest kann man die freiwerdende Energie bei dieser Art von Strahlung kontrollieren.

Röntgenstrahlung und andere ionisierende Strahlung wie Elektronenstrahlen oder Ionenstrahlen entstehen nur dann, wenn Energie zugeführt wird. Im weitesten Sinne, wenn man eine Maschine einschaltet. Das ist sehr wichtig, auch wenn es vielleicht banal klingt, denn Ein- und Ausschalten von Maschinen, die diese Strahlung erzeugen können ist ein sehr wichtiger Sicherheitsmechanismus im Strahlenschutz. Dies ist bereits eine der wichtigsten Maßnahmen, die kontrolliert werden können. Das geht bei radioaktiven Stoffen nämlich nicht. Diese Stoffe strahlen, ob man es will oder nicht.

Da aber auch diese Strahlung Energie (auf den Menschen) übertragen kann und wir auf diese Art Dosis einsammeln (z.B. bei einer Röntgenuntersuchung beim Arzt), werden Strahlenschutzmaßnahmen benötigt.

Allerdings spielt, das sei nochmals erwähnt, bei der Dosisbetrachtung keine Rolle, welche Art von Dosis man einfängt und demnach auch nicht, durch welche Art von Strahlung sie erzeugt wird. Die Unterscheidung der Strahlungsart ist für die Festlegung von Maßnahmen ausschlaggebend. Dosis ist Dosis, also eingefangene Energie, sonst nichts.